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Nach einer schweißtreibenden Trainingswoche in Jena: Nationalmannschafts-Center Johannes Voigtmann im Interview

Während der Deutsche Basketball Bund ab dem morgigen Montag in die Vorbereitung zur Basketball-Weltmeisterschaft (25.08. bis 10.09.2023 in Indonesien, Japan und auf den Philippinen) starten wird, hat Nationalmannschafts-Center Johannes Voigtmann bereits eine schweißtreibende Sommerwoche hinter sich. Zurück in der Stadt seines Ausbildungsvereins, im metecno court in Jena-Burgau, arbeitete der Co-Kapitän des letztjährigen EM-Bronze-Gewinners an Fitness, Wurf und Kondition. Wir nutzten die Gelegenheit, um uns mit dem 93-fachen Nationalspieler über sein letztes Jahr und die anstehende WM zu unterhalten.

 

Johannes, schön dich auch in diesem Sommer in Jena wiederzusehen. Du trainierst wie jedes Jahr in der Offseason in Burgau. Wie geht’s der Familie?

 

Ja, Jena bietet wirklich sehr gute Möglichkeiten und ist relativ nah dran an zu Hause. Amrei war jetzt mit der Familie noch ein paar Tage in München. Ich hatte sozusagen die letzten Tage sturmfrei, um mich auf die nächsten Wochen mit der Nationalmannschaft vorzubereiten. Uns geht es gut und das ist das Wichtigste.

 

Das zurückliegende Jahr ist mit EM-Bronze und der Meisterschaft in Italien mit Blick auf Titel und Erfolge ganz gut verlaufen. Wie zufrieden bist du selbst mit der Entwicklung der letzten 12 Monate?

 

Zufrieden ist vielleicht das falsche Wort, zumindest was die sportliche Entwicklung angeht. Ich bin in erster Linie zufrieden, wie ich das Jahr gemeistert habe und was am Ende unter dem Strich herausgekommen ist. Ich freue mich vor allem, wie ich die Hürden der letzten Monate genommen habe. Es gab eine für mich enorm gewöhnungsbedürftige, schwierige Phase in Mailand, in der ich wenig bis gar nicht gespielt hatte. Dies war komplett neu für mich und das habe ich bislang so auch noch nicht erlebt. Davor gab es in meiner Karriere mal ein Spiel, in dem ich aus Leistungsgründen nicht zum Einsatz kam. Daran kann ich mich noch ganz genau erinnern, weil es die Ausnahme war, in einem Duell zwischen Baskonia und Real Madrid in Vitoria.

 

So eine Phase wie in dieser Saison hatte ich bisher aber tatsächlich noch nie. Das fing um die Weihnachtszeit an und ging bis zum Nationalmannschafts-Fenster, knapp zwei Monate, also schon über einen längeren Zeitraum. Mal nur zwei Minuten, mal gar nicht oder komplett aus dem Kader genommen, war so eine Situation neu für mich und damit musste ich erst einmal klarkommen. Im Nachhinein bin ich froh, dass es mir gelungen ist, mich durchzubeißen und meinen Körper in einen Bereich zu halten, um bereit zu sein, sobald ich die Chance bekommen habe. Das war bisher nicht meine Stärke, aber ich habe mich dieser Herausforderung gestellt. Als 30-Jähriger noch einmal einen neuen Skill zu erlernen, passiert dir auch nicht alle Tage.

 

Durch den Titel mit Mailand hat das Spieljahr dann aber doch einen positiven Ausgang genommen, oder?

 

Natürlich war die Meisterschaft mit Mailand am Ende super und auch die Finalserie gegen Bologna war wirklich emotional. Im Großen und Ganzen ist die Saison für uns aber nicht ganz so doll gelaufen. Rückblickend kann ich, können wir sicher stolz auf die Meisterschaft sein. Für mich persönlich war es auf jeden Fall ein lehrreiches Jahr, in dem ich durch die gemachten Erfahrungen noch einmal gewachsen bin.

 

Du hast mit der Nationalmannschaft 2022 EM-Bronze geholt, bist mit deinem Club Meister der Serie A geworden. Was hat eine höheren Stellenwert oder lässt sich das nicht vergleichen? 

 

Oh doch. Das kann man schon differenzieren und da gibt es auch keine Frage. Die Medaille mit Deutschland hat schon einen höheren Stellenwert.

 

Voigtmann, Melli, Hines, Shields, Hall - die Namen klingen nach überproportional viel BBL im Mailänder Kader. Ist Deutschland manchmal noch ein Thema?

 

Das klingt in erster Linie nach viel Bamberg, außer Shavon, der ja in Frankfurt gespielt hat (lacht). Die Jungs hatten alle eine gute Zeit in Deutschland, vor allem zu Beginn ihrer Karriere, insofern ist das auf jeden Fall ein Thema. Nic Melli spricht zudem sehr gut deutsch, hat eine deutsche Frau und da ergibt es sich ja automatisch. Insofern ist Deutschland tatsächlich immer wieder mal ein Thema.

 

Welche Gründe – sicher auch neben dem finanziellen Aspekt – waren es, die dich dazu bewogen haben nach Mailand zu wechseln? Euroleague? Titelchance? Kultur? Lebensweise? Nähe zur Heimat? 

 

Für mich kommt an erster Stelle immer ein Aspekt: Habe ich die Chance zu gewinnen. Alles andere reiht sich danach ein. Hinsichtlich der Möglichkeiten des letzten Sommers war Mailand, auch wenn die Unterschiede jetzt nicht riesig sind, das niedrigste Angebot von allen. Die Verträge sind natürlich alle sehr gut, aber auf dem Niveau, auf dem ich mich bewege, sind diese zehn Prozent Unterschied für mich nicht mehr ausschlaggebend. Insofern habe ich schon darauf geschaut, welches Projekt das sportlich vielversprechendste sein könnte. Auch wenn das Jahr jetzt nicht so gelaufen ist, war ich der Meinung, dass wir durchaus die Chance hatten, um den Euroleague-Titel mitspielen zu können. Ich glaube, dass wir einen sehr, sehr guten Kader hatten, es hat am Ende einfach nicht funktionierte. Natürlich spielt der Faktor Geld auch keine zu vernachlässigende Rolle, aber er steht nicht über allen Kriterien.

 

Neben der extrem hohen Lebensqualität in Mailand bzw. prinzipiell in Italien gab es noch ein weiteres Plus. Wir sind nicht weit weg von zu Hause. Du kannst dich am Morgen ins Auto setzen und bist, auch wenn es sicher fünfeinhalb Stunden dauert, am Nachmittag da. Aber wie gesagt, steht die Chance auf sportlichen Erfolg an erster Stelle. Du opferst viel Zeit, auch viel Zeit mit der Familie und den Kindern. Wenn es am Ende nur darum gehen würde, möglichst viel Kohle einzusammeln, wäre es letztendlich nur eine Art Schmerzensgeld.

 

Hast du unter diesen Gesichtspunkten auch Verständnis für die Absage von Nikola Jokic, weil er Zeit mit der Familie oder mit seinen Pferden verbringen möchte?

 

Natürlich habe ich das Verständnis, eben auch, weil die NBA aufgrund der Media Exposure noch einmal eine ganz andere Geschichte ist. Die Spieler stehen die ganze Zeit im Rampenlicht und müssen sich zu irgendwelchen Dingen äußern. Ich glaube, er ist halt einfach glücklich, wenn er zu Hause sein kann, mit seinen Pferden Zeit verbringt, auch mal einen Balkan-Teller essen oder in Ruhe ein Bierchen trinken kann. Du hast die NBA-Meisterschaft gewonnen, möchtest anschließend so schnell wie möglich zurück in deine Komfortzone. Zudem ist er auch eher nicht der Typ, der sich großartig feiern lassen muss. Insofern kann ich das absolut verstehen.

 

EA7 Emporio Armani Milano - Giorgio Armani ist Eigentümer und Namensgeber des Clubs. Wie viele Anzüge hängen mittlerweile in deinem Schrank?

 

Von Armani nur einer, vom Verein gestellt. Insgesamt sind es aber auch nur drei. (lacht)

 

Mailand hat zwei überaus renommierte Fußballclubs. Warst Du während der letzten Saison mal im Giuseppe Meazza und welchen der beiden Clubs gehören neben Dynamo Dresden deine Sympathien?

 

Ich wohne in Sichtweite zum Stadion, habe es in der letzten Saison aber tatsächlich nicht einmal geschafft, zum Fußball zu gehen. Fußläufig wären das vielleicht maximal zehn Minuten. Dennoch hat sich die Gelegenheit nicht ergeben. Am Anfang war die Eingewöhnung ein Thema und als wir mal gehen wollten, war das Spieljahr der Serie A fast vorbei. Aber gehört haben wir es sehr oft. Das Appartement befindet sich auf einer Seite, von der man halb reinschauen kann. Ich habe also immer gesehen, wenn ein Spiel lief, war dann aber nur so halb im Stadion (lacht). Sympathien habe ich da eher für Inter, ohne genau sagen zu können, warum. Dresden bleibt die klare Nummer 1.

 

Ihr habt in den nächsten Wochen bis zur Weltmeisterschaft einen recht straffen Vorbereitungsfahrplan. Mit den beiden Testspielen, dem Supercup in Hamburg, dem Showcase in Abu Dhabi gegen Griechenland und die USA warten einige hohe Hürden auf Euch. Mit welcher Zielstellung fährst du persönlich nach Asien?

 

Ich habe das im letzten Sommer ja schon so gesagt, dass ich ein erfolgreiches Turnier nicht an einer Medaille festmache. Wenn wir das maximale Potenzial ausschöpfen können, kann es eine erfolgreiche Weltmeisterschaft werden. Wie das am Ende aussieht, weiß man ja im Vorfeld noch nicht. Das Team ist neu und es werden ein paar neue Spieler dazukommen. Natürlich schielst du insgeheim sicher immer irgendwie auf Edelmetall, aber auch eine Medaille definiert nicht zwingend ein erfolgreiches Turnier. Ich kann es dir einfach nicht sagen, was passieren kann oder wird, weil da zu viele Faktoren hineinspielen, die im Vorfeld zu unberechenbar sind. Deshalb gilt, wie im letzten Jahr, als es wirklich gut lief, das Maximum herauszuholen.

 

Es ist auch vollkommen okay, wenn jemand sagt, dass er eine Medaille gewinnen will. Aber ich definiere den Erfolg eines Wettbewerbs eher anhand des Turnierverlaufs, der Entwicklung als Team und wie wir auftreten bzw. spielen. Ich glaube, wir hatten beispielsweise bei der EM 2017 ein extrem gutes Turnier gespielt, Frankreich im Achtelfinale geschlagen, sind dann im Viertelfinale an Spanien gescheitert, obwohl wir es drin hatten. Es kann immer etwas passieren, worauf du keinen Einfluss hast, brauchst neben Spielglück eben auch Turnierglück.

 

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