Skip to main content

Akademieleiter Torsten Rothämel im Interview: „Ich bin stolz, wenn die Jungs den Sprung schaffen“

Bereits mit 17 Jahren Coach einer Mädchen-Auswahl in Suhl, heute Akademieleiter und NBBL-Trainer in Jena, zusätzlich Heimspiel-Kommentator, Assistent der ProA und noch vieles mehr. Torsten Rothämel hat während seiner Arbeitswoche ein gleichermaßen vielfältiges wie spannendes Aufgabengebiet zu bewältigen. Wir baten den 47-Jährigen zu einem ausführlichen Gespräch.

 

Welche drei Voraussetzungen sollten Jugendspieler auf dem Weg zum Profi erfüllen? Was ist der Unterschied beim Arbeiten mit Profis und Jugendlichen? Und warum hat er mit Dirk Nowitzki eine Pizza gegessen? Freut Euch auf spannende Einblicke und unterhaltsame Anekdoten aus drei Dekaden des Basketballs.

 

Wann ist für Dich die Leidenschaft für den Basketball geweckt worden?

 

Das war mit 15 in meiner Heimatstadt Suhl. Wir hatten im Sportunterricht Basketball gespielt und direkt im Anschluss gab es immer noch eine Basketball-AG, für die ich da geblieben bin. In der Zeit hatte ich auch die Finalserie der Lakers gegen die Bulls mit Michael Jordan auf Eurosport gesehen. Das hat mich mit dem Basketball-Virus infiziert und ich bin regelmäßig zum Vereinstraining in Suhl gegangen.

 

Was war Deine erste Station als Basketball-Trainer?

 

Wir hatten mehrere Mannschaften in Suhl. Unser damaliger Trainer in Suhl, Kurt Lauterbach, musste ins Krankenhaus. Da ich von den jüngeren Spielern derjenige war, der am weitesten war, haben sie mich dann gefragt, ob ich das Training der Mädchen übernehmen möchte. Also habe ich als Trainer angefangen mit einer Mädchen-Mannschaft. Damals war ich gerade 17 Jahre alt. Wir sind dann im ersten Jahr etwas überraschend in der C-Jugend Thüringer Meister geworden, weil wir im Finale gegen Jena einen sehr guten Tag erwischt hatten und das Jenaer Team von einer Grippewelle geplagt war. Ansonsten hätten wir sie nicht geschlagen, weil sie deutlich stärker waren als wir. Das war der erste „große Erfolg“ als Trainer.

 

Wann hattest Du den ersten Bezug zum Jenaer Basketball?

 

Ich bin 1994 zum Studium hergekommen und zuerst beim USV Trainer gewesen, dann zum TUS Jena gewechselt. Von Januar 2002 bis Dezember 2004 war ich in Hamburg Landestrainer. Von 2005 bis 2019 habe ich im Thüringer Verband gearbeitet und bin dann zum Verein in meine jetzige Position gewechselt.

 

In welchem Jahr warst Du das erste Mal als Trainer angestellt in Jena?

 

Ich war erst beim USV, dann beim TuS Honorartrainer und habe viel Nachwuchsarbeit gemacht. Meine erste Station im Profibereich für den Vorläufer von Science City war in der Aufstiegssaison in die damals 2. Liga Süd, 2000-2001. Da war ich zum ersten Mal in Jena als Co-Trainer bei der ersten Mannschaft dabei.

 

Hast Du auch mal professionell Basketball gespielt?

 

Nein, leider habe ich nur auf Freizeitniveau gespielt. Ich habe dafür überhaupt zu spät angefangen mit Basketballspielen. Für mehr als Landesliga hat es dann nicht gereicht, zumal ich ja sehr früh als Trainer angefangen habe.

 

Was hast Du studiert?

 

Das war ein Magister-Studiengang: im Hauptfach Erziehungswissenschaften mit den Nebenfächern Sportwissenschaft und Psychologie.

 

Was war Dein Ziel mit diesem Studiengang?

 

Ich hatte nach dem Abitur meinen Zivildienst absolviert beim Behindertenverband. Dort habe ich Behinderte betreut und gefahren. Nach dem Zivildienst war mir klar, dass ich unbedingt irgendwas machen möchte, wo man mit Menschen arbeitet. Aus dieser Idee ist dann das Studium der Erziehungswissenschaften entstanden. Im Verlauf des Studiums hatte sich der Fokus sehr zum Basketball verschoben und ich habe auch die Regelstudienzeit deutlich überschritten, da ich immer in der Halle war und Mannschaften trainiert habe, aber das war dann egal, es war meine Passion.

 

Was ist Deine aktuelle Tätigkeitsbeschreibung?

 

Ich bin Nachwuchsleiter bzw. Akademieleiter, das heißt ich bin für die Strukturierung und Ausrichtung  des Nachwuchsleistungsbereichs oberhalb der U14 verantwortlich - sprich JBBL, NBBL und Culture City Weimar. Da geht es um das sportliche Konzept, da geht es um Trainings- und Wettkampfstrukturen, Spielerbetreuung und Trainerbetreuung. Die Palette hat sich zuletzt deutlich vergrößert. Nach dem letzten Sommer habe ich die NBBL übernommen. Aufgrund der angespannten Situation in der 1. Mannschaft unterstütze ich derzeit auch da den Coaching-Staff. Ein bisschen bin ich gerade also Mädchen für alles.

 

In der idealen Welt – wie sähen die Aufgaben des Akademie-Leiters aus? Wärst Du ein reiner Schreibtisch-Täter, der regelmäßig bei den Trainings und Spielen der Jugendteams vorbeischaut, ohne ein Team zu trainieren?

 

In der idealen Welt: ja. Ich habe auch drei Jahre lang keine Mannschaft betreut, das hing mit meinem Familiennachwuchs zusammen, damit ich zumindest direkt nach der Geburt nicht jedes Wochenende unterwegs bin. Aber ich habe auch in diesen drei Jahren gemerkt, dass mir das fehlt, auch in der Halle zu stehen und mit einer Mannschaft zu arbeiten. Obwohl es von der Belastung her sehr viel ist, gefällt es mir deutlich besser, kein reiner Schreibtischtäter zu sein und nur zu schauen, was andere machen.

 

Was macht für Dich den größten Reiz aus, im Jugendbereich zu arbeiten?

 

Eine der größten Dinge, die mich erfüllen, ist zu sehen, wie schnell sich junge Spieler entwickeln und wie groß auch die Dankbarkeit und Anerkennung ist, die man erfährt als Trainer. Wenn dann Spieler den Sprung schaffen und Du hast da die Hände mit dran gehabt, das erfüllt mich immer mit Stolz und mit Zufriedenheit sowas zu sehen.

 

War Johannes Voigtmann auch ein Spieler, der durch Deine Hände gegangen ist?

 

Nicht so richtig – es gibt ja verschiedene Versionen der Geschichte (schmunzelt). Ich war damals noch beim Thüringer Basketballverband und wir haben mit dem TuS gemeinsam ein Sommercamp organisiert. Wir hatten mit Christian Berkes einen Rookie-Trainer hier, der hatte über seinen Schulverteiler den Campflyer auch nach Eisenach geschickt, wo die Voigtmänner ja herkommen. Aufgrund dieses Flyers sind Johannes und Georg bei uns im Camp gelandet. Seinen Bruder Georg Voigtmann hatte ich ein Jahr bei mir im JBBL-Training, als er zwar altersmäßig in die NBBL aufgerückt, aber von der Entwicklung noch nicht bereit für die NBBL war.

 

Wenn man über Erfolge sprechen möchte: was war Dein größter Erfolg?

 

Zweifelsohne war es das Top4 in Jena mit uns als teilnehmender Mannschaft 2019. Wir haben mit unserer JBBL-Mannschaft das Finale gegen Bayern München erreicht, auf dem Weg dorthin mehrmals ALBA geschlagen und andere Top Programme aus dem Weg geräumt - das war ein absolutes Highlight. Auch wenn wir es am Ende nicht ganz an die Spitze gepackt haben, blicke ich immer wieder mit Stolz darauf zurück.

 

Wann hast Du in der Saison damals erkannt, dass das noch weit gehen kann?

 

Ich habe zum ersten Mal richtig dran geglaubt, als wir zu Hause im regulären Saisonspiel Alba Berlin geschlagen haben. Auch TUS Lichterfelde, die damals sehr stark waren, haben wir nach Verlängerung geschlagen. Vechta und Hamburg waren stark, gegen die hatten wir in den Playoffs gespielt und sie besiegt. Wenn Du dann merkst, Du kannst gegen diese Top-Teams in jedem Fall mitspielen, dann fängst Du irgendwann an zu realisieren: Wir haben hier eine Mannschaft beisammen, die nach vorn marschieren kann.

 

Was hat Euer Team damals ausgezeichnet?

 

Ich war immer jemand, der sehr stark aufs Team schaut und versucht, den Teamgedanken zu fördern. Durch einige Zugänge wie zum Beispiel Marius´ Söhne war das schon nicht so einfach damals, weil das auch sprachlich eine Herausforderung war. Uns hat damals eher ausgezeichnet, dass wir eine enorme spielerische Qualität und große Erfahrung im Team hatten.

 

Wie gut erkennst Du, ob ein Jugendspieler das Zeug hat zum Profi?

 

Am Ende ist es trotz aller Hinweise immer ein Lotterie-Spiel. Wir haben über die Jahre hinweg schon viel Lehrgeld zahlen müssen, weil wir als junge Trainer öfters gedacht haben: Mensch, das ist ein Supertalent, aus dem wird etwas – und dann hat es doch nicht geklappt, weil eben sehr viele Faktoren eine Rolle spielen. Am ehesten zu erkennen ist es an drei Dingen. Einmal die körperliche Situation, also: Welche körperlich-athletischen Voraussetzungen bringt jemand mit? Der zweite Punkt ist: Wie lernfähig ist jemand? Wenn ich den besten Athleten der Welt hätte, aber der fängt in jedem Training basketballerisch wieder von vorne an und versteht beispielsweise taktische Situationen nicht, dann wird er den Weg nach oben nicht schaffen. Das Dritte ist natürlich Einstellung und Umfeld. Stimmt die Einstellung? Ist der Spieler bereit, dafür zu arbeiten, sodass er sich entwickelt? Wird er auch vom familiären Umfeld unterstützt? Ist er gut in der Schule, sodass er keine weiteren Störfaktoren hat? Erst dann hat das Ganze eine Chance zum Wachstum. Wir hatten schon viele Spieler, die sehr talentiert waren, aber die diese Einstellung nicht hatten, richtig hart dafür zu arbeiten.

 

Es gibt aber auch Gegenbeispiele mit Spielern, die vom Talentpotenzial nicht überragend waren, aber die es trotzdem geschafft haben. Ohne ihm zu nahe treten zu wollen, aber ein gewisser Christian von Fintel kam erst mit 15 oder 16 aus Bad Salzungen nach Jena. Da hätten wir nie gedacht, dass der mal für Ludwigsburg BBL spielt. Er hat es dann über jahrelange harte Arbeit geschafft. Er war was das Trainieren angeht verrückt – schon in jungen Jahren. Jetzt spielt von Fintel bei Stephan Frost in Wels (Österreich).

 

Was war – wenn man das so nennen möchte – das größte Talent, das Du jemals trainiert hast?

 

Schwer zu sagen. Wenn ich Namen nennen muss, dann einmal Lukas Wank, der jetzt mit den Fraport Skyliners in der BBL spielt. Den hatte ich damals bei „Jugend trainiert“ in Altenburg „gefunden“. Und dann ist es schon Raphael (Falkenthal). Da bin ich auch von überzeugt, dass er es bis ganz nach oben schaffen kann.

 

Wenn Du Jugendspielern einen Profi mit Vorbild-Funktion nennen könntest, auch bzgl. der Einstellung, wer wäre das?

 

Ganz klar Dirk Nowitzki, weil er nicht nur die Vereinigung von Talent und Einstellung für mich darstellt, sondern er auch ein Spieler ist, der trotz seines ganzen Erfolgs hervorragende Charaktereigenschaften verkörpert - vor allem Bodenständigkeit und Nahbarkeit. Wenn Du ihn triffst, dann fühlt es sich tatsächlich so an, als wäre er Dein Kumpel. Wir haben ihn einmal beim Nationalmannschafts-Lehrgang U20 weiblich getroffen. Dirk war wie der Typ von nebenan, hat dann mit den Mädels Pizza gegessen, mit uns Scherze gemacht, ohne dass er uns wirklich kannte. Das war 2008 oder 2009, also zu einem Zeitpunkt, als er schon NBA-MVP war.  

 

Zwischen oder nach seinen Trainingseinheiten ist er auch immer wieder mal aus der Halle gegangen, um mit Leuten zu quatschen, die ihn besuchen wollten. Nach seinen schweißtreibenden Einheiten sah er meistens aus, als wäre er durch strömenden Regen gelaufen, obwohl es am Ende lediglich ein Training war. So viel Professionalität, Ehrgeiz und Bereitschaft sich zu quälen ist enorm selten.

 

Welche Profispieler aus der Vergangenheit, die Du in Jena erlebt hast, haben Dich am meisten beeindruckt?

 

Ein Lieblingsspieler aus der Zeit in Lobeda war Alexander Seggelke und in der Neuzeit Immanuel McElroy. Das sind zwei Spieler, die für mich herausgestochen haben.

 

Was beeinflusst den Charakter der jungen Spieler am meisten? Hat die Familie den größten Einfluss?

 

Ja, als Trainer beeinflusst Du relativ wenig, das entwächst zu großen Teilen aus der Familie. Und es gibt noch den kleineren Faktor der unveränderlichen Persönlichkeitsmerkmale des jeweiligen Spielers.

 

Du bist als Jugendtrainer auch vielen Talenten begegnet, von denen heute einige in der NBA spielen. Hast Du damals schon gesehen, wie groß deren Potenzial ist?

 

Jein – Du siehst ja erst einmal Anlagen, aber nicht das Ergebnis, das am Ende kommt. Du siehst es, wenn jemand diese Lernfähigkeit hat, wenn jemand diesen Spielwitz hat. Das ist das, was ich an Raphael unglaublich stark finde – er ist ja nicht der Athlet vor dem Herren – aber er macht sehr viel wett gegenüber athletischeren Spielern, einfach weil er schlauer spielt, Situationen sehr gut erkennt und auch Lösungen findet, die Du selbst als Trainer gar nicht regelhaft beibringen kannst. Das zeichnet die ganz großen Talente aus, dass sie selbst Wege finden, zum Erfolg zu kommen, was für Kreativität spricht.

 

Du bist im Jugendbereich auch Dennis Schröder begegnet?

 

Er hat damals gegen unsere NBBL gespielt. Da hatten wir eine sehr gute Mannschaft mit Stephan Haukohl und dem 93er Jahrgang. Braunschweig war in den Playoffs mit Dennis Schröder und Daniel Theis zu Gast. Das war schon beeindruckend. Da hat man zwar nicht gleich an die NBA gedacht, aber sowohl bei Schröder als auch bei Theis hat man gesehen, dass es auf jeden Fall Spieler sind, die BBL-Potenzial haben.

 

Unsere Jugendmannschaften treffen bei Turnieren wie dem CEYBL auch immer mal auf Mannschaften aus Osteuropa. Was ist Deiner Meinung nach der größte Unterschied bei Spielen gegen Teams aus Litauen oder der Slowakei?

 

Der größte Unterschied – und deswegen spielen wir diese Turniere auch - ist die Härte, mit der gespielt wird. Diese Härte findest Du bei uns in der Liga weniger, weil sie nicht so üblich ist und oft auch von den Schiedsrichtern nicht zugelassen wird. Das ist aktuell auch ein großes Problem für uns  in der NBBL, weil die Linie, die die Schiedsrichter hier bei uns pfeifen, eine komplett andere ist als im Süden. Wenn wir in den Süden fahren, dann gehen die Gegner mit viel mehr körperlicher Härte zur Sache, das ist da völlig normal und es ist dann schwer, sich in solchen Spielen anzupassen. Und wenn wir die Spiele hier bei uns so spielen würden, würden wir nicht mit fünf Leuten zu Ende spielen.

 

Das ist also in Osteuropa ein bisschen wie in der Südstaffel, nur noch extremer?

 

In Osteuropa ist es so, dass vor allem im jungen Alter schon eine andere Härte da ist. Würden wir mit dieser Härte unter Schiedsrichtern aus unserer Region antreten, dann würden wir immer in Foul-Trouble kommen, weil es nicht so gepfiffen wird wie international oder wie in Süddeutschland.

 

Losgelöst von der unterschiedlichen Regelauslegung: Gibt es Unterschiede in der Persönlichkeit? Wie reagieren Spieler aus Osteuropa, wenn sie mal einen Ellbogen abbekommen?

 

Inzwischen gibt es da weniger Unterschiede. In früheren Jahrgängen haben wir oft das Problem, dass das Selbstbewusstsein, dieses starke Auftreten mit breiter Brust, bei unseren Jugendlichen nicht so ausgeprägt war. Wenn wir gegen gute Mannschaften aus den alten Bundesländern gespielt haben, da hast Du immer schon das Gefühl gehabt, deren Spieler strotzen vor Selbstbewusstsein. Wie sie aus dem Bus aussteigen, wie sie die Halle betreten. Aber das hat sich schon gewandelt, da haben wir uns in die Richtung entwickelt, dass wir viele Jungs haben, die auch selbstbewusst auftreten, die auf dem Spielfeld auch mal ein Statement setzen nach dem Motto: bis hier hin und nicht weiter.

 

Ist das eine Frage der Entwicklung innerhalb der Familie?

 

Das ist eine Frage der Entwicklung der Gesellschaft, auch durch die Wiedervereinigung, wo Du kulturelle Unterschiede hattest und nach wie vor hast im Miteinander zwischen Ost und West.

 

Ich persönlich hätte gedacht, dass die Jugend während der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte eher einen Tick weicher geworden ist?

 

Das würde ich so nicht sagen. In der modernen Gesellschaftsentwicklung steht schon der Einzelne und sein Ego mehr im Vordergrund. Dieses Sich-Durchsetzen spielt schon eine große Rolle, was manchmal auch konträr zu unserem Teamgedanken ist. Ich würde nicht sagen, dass man generell von einer verweichlichten Jugend sprechen kann. Wenn Du ein Spiel gewinnen willst, dann lernst Du am besten frühzeitig, dass Du am Ende auch dieses Selbstbewusstsein, diese gewisse Aggressivität brauchst, um Dir das Spiel zu holen.

 

Legt Ihr großen Wert auf die Erfahrung, die man bei Spielen gegen osteuropäische Mannschaften sammelt?

 

Auf jeden Fall. In dem Moment, wo es um den Sieg geht, dann muss man sich irgendwann einmal durchsetzen. Wobei es wichtig ist, dass wir als Gegenpol vermitteln wollen, dass es eine soziale Komponente gibt. Das gemeinsame Spielen, miteinander spielen - nicht nur kämpfen und gegeneinander spielen.

 

Von Artur kam die Frage, ob Sportpsychologie schon im Umgang mit Jugendspielern eine große Rolle spielt, oder kommt das erst im höheren Alter hinzu?

 

Das spielt eine Rolle. Da sind wir auch gerade dabei, das Schrift für Schritt zu installieren. Ich bin ein großer Verfechter davon, den Part der Sportpsychologie mit aufzunehmen in die leistungssportliche Entwicklung. Wenn wir zum Fußball schauen, dann sind sie da schon deutlich weiter als wir beim Basketball. Dort muss zum Beispiel jedes Nachwuchsleistungszentrum einen Sportpsychologen haben, der auch fest angestellt ist. Alba Berlin hat mit der hauptamtlichen Sportpsychologin Renate Eichenberger den Vorreiter gemacht. Wir in Jena arbeiten teilweise mit Matthias Kunze und mit der Sportpsychologin Anna Daudert zusammen. Mit Anna sind wir gerade dabei, sportpsychologische Inhalte in das Ausbildungskonzept für den Basketball zu integrieren. Dabei geht es um Themen wie Stress-Management, Belastungsgestaltung und Umgang mit Druck und Misserfolg.

 

Worin besteht für Dich der größte Unterschied in der Arbeit mit Jugendlichen bzw. mit Profis?

 

Der Hauptunterschied ist, dass ich beim Jugendlichen auch eine pädagogische Verantwortung habe und auch an der Persönlichkeitsentwicklung mitarbeite. Das mache ich bei einem Erwachsenen nur sehr begrenzt. Und dass ich beim Jugendlichen noch mehr in der Pflicht bin, ihm Lösungen zu zeigen und teilweise auch mal vorzugeben. Beim Erwachsenen ist es so: wenn dort ein Profi-Spieler steht, dann brauche ich ihm nicht mehr zu zeigen, wie er einen Block bekämpfen muss. Wenn er über den Block gehen soll, dann sage ich nur: „Du musst über den Block gehen“. Wie er das dann macht, das sollte ich ihm nicht erklären müssen.

 

Ein weiterer großer Unterschied: im Jugendbereich coachts Du auch Einsatzbereitschaft, Du motivierst die Spieler. Je professioneller das Ganze wird, desto weniger sehe ich den Coach in der Pflicht, das zu motivieren. Einem Profi muss ich nicht erklären, dass er raus gehen und sein Herz auf dem Feld lassen muss.

 

Du bist letzte Saison als Co-Trainer eingesprungen. Wie kam es dazu?

 

Der eigentliche Co-Trainer war ausgefallen und Domenik war dann quasi allein, weil auch Marius, der als Co-Trainer mit dabei war, die NBBL betreute und nur bedingt verfügbar war durch die Playoffs etc.. Deshalb konnte er auch bei manchen ProA-Spielen nicht anwesend sein. Dann kam die Anfrage. Ich hatte einen sehr guten Draht zu Domenik, wir kannten uns schon früher, als ich mit ihm ein Interview geführt hatte zur Vorbereitung unseres Live-Streams gegen Ehingen. Da ich letztes Jahr keine Mannschaft betreut hatte und die Situation dringend war, habe ich dann zugestimmt dort mitzuhelfen.

 

Wie kommt es, dass Du jetzt wieder als Co-Trainer der Herren fungierst?

 

Marius hatte mich darum gebeten. Mit ihm arbeite ich schon seit mehreren Jahren zusammen. In der damaligen JBBL-Saison, als wir in den Top 4 waren, hatte Marius mich sehr stark unterstützt und viel Feedback fürs Coaching gegeben. Ich bin beim Training dabei und gebe beiden Coaches eine Rückmeldung, wenn ich bestimmte Sachen sehe. Ich versuche nun Schritt für Schritt auch die Spieler etwas zu coachen in den Trainings. Zunächst habe ich nur beobachtet um zu erkennen, woran manche Dinge liegen. Wir Coaches sprechen viel wenn wir entscheiden: wie werden bestimmte Situationen verteidigt? Wie wollen wir spielen? Ich schaue mit in die Videos rein und bin ein bisschen mehr im Hintergrund.

 

Was war Dein erster Eindruck als neuer Co-Trainer von der Profis?

 

Das war kurz nach dem Wechsel von Domenik auf Marius. Ich würde sagen die Mannschaft war in einem konzentrierten Zustand. Sie wussten und wissen, worum es geht. Ich hatte das Gefühl, dass alle Spieler motiviert waren. Die Trainingseinheiten waren auch gut. Als Coach bist Du mit einem guten Gefühl aus dem Training rausgegangen und hast Dir auch etwas ausgerechnet für die folgenden Spiele. Das hat sich dann in den Spielen leider nicht so widergespiegelt.

 

Könntest Du Dir vorstellen, dauerhaft im Profi-Bereich mit Erwachsenen zu arbeiten?

 

Das könnte ich mir vorstellen, aber nicht in Hauptverantwortung. Das weiß ich, das ist nicht meins. Ich sehe mich immer im Nachwuchs. Diese Entscheidung habe ich schon lange für mich getroffen, auch aus anderen Gründen. Der Stuhl eines Profi-Trainers ist mir zu heiß. Dafür habe ich zu viele familiäre Verpflichtungen, als dass ich aller drei Jahre den Ort wechseln könnte. Dafür bin ich hier inzwischen zu fest verankert.

 

Du bist einmal als Hallensprecher eingesprungen. Wie hast Du Dich dabei gefühlt?

 

Es war sehr kurzfristig. Ich wollte eigentlich gar nicht zum Spiel kommen und bin dann doch losgefahren. Dann rief Benny an, als ich schon in Burgau war, ob ich nicht als Hallensprecher einspringen könnte. Ich hatte zuvor immer wieder mal mit dem Gedanken gespielt, es auszuprobieren, weil ich mir sicher war, dass es Spaß macht. Also habe ich zugesagt. Am Anfang war ich doch sehr nervös, aber nach ein paar Minuten habe ich mich dabei auch ganz gut gefühlt. Reden kann ich ja ein bisschen. Es hat wirklich Spaß gemacht. Wir haben gewonnen und ich habe mich auch sehr über die vielen positiven Rückmeldungen gefreut.

 

Zurück