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Jenas Cheftrainer Frank Menz im Interview: Wir bleiben hungrig, ehrgeizig und optimistisch

Während die Saison der BARMER 2. Basketball Bundesliga am 17. März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen werden musste, hätte normalerweise an diesem Wochenende das erste Playoff-Viertelfinalspiel von Science City Jena stattgefunden. Nachdem die Thüringer in den letzten Wochen der regulären Saison gesundheitsbedingt auf ihren Cheftrainer Frank Menz verzichten mussten, wäre der Headcoach rechtzeitig zurückgekehrt, um das Team auf die Playoffs, den Höhepunkt des Spieljahres, vorzubereiten. Wir haben uns mit ehemaligen Bundestrainer getroffen, um die ProA-Saison im Rahmen eines ausführlichen Interviews gedanklich abzuschließen und die aktuelle Situation zu beleuchten. Frank, das Spieljahr wurde abgebrochen, die Playoffs sind ausgefallen. Wie hast Du die letzten Wochen der regulären Saison erlebt? Während ich mich aus den bekannten Gründen nach der Verpflichtung von Kavin Gilder-Tilbury und Kamau Stokes zurücknehmen musste, standen wir, mein Co-Trainer Steven Clauss und ich natürlich weiterhin in engem Austausch. Wir haben uns über Trainingsinhalte abgestimmt und wären jetzt eigentlich mittendrin in der Vorbereitung auf das Playoff-Viertelfinale. Die Chancen, den Aufstieg sportlich zu schaffen, wären meiner Meinung nach sehr groß gewesen. Nach unserem Heimsieg gegen Trier ist der 3. Platz nach Abschluss der regulären Saison sehr realistisch gewesen. Damit hätten wir Chemnitz im Halbfinale aus dem Weg gehen können. Die Möglichkeiten um uns sportlich für die BBL zu qualifizieren lagen deutlich über 50 Prozent, obwohl das eigentlich nicht unser primäres Ziel war. Mit dem vorzeitigen Abbruch der Saison wurde uns dann leider diese Perspektive genommen. Wir hatten eine Riesenchance, um den Wiederaufstieg zu schaffen. Alle im Club und in der Organisation haben über Wochen und Monate hart für ein erfolgreiches Spieljahr gearbeitet. Umso enttäuschender sind die Entwicklungen der letzten Wochen aus sportlichem Blickwinkel aufgrund der Corona-Thematik.. Du hast ja sicher die Spiele trotz deiner Auszeit über Airtango verfolgt, oder? Ich hab natürlich alle Spiele der Jungs am Bildschirm verfolgt, habe mitgefiebert und es ist mir extrem schwergefallen, die Mannschaft zu sehen und nicht selbst aktiv eingreifen zu können. Für die Kontinuität, die es braucht, um ein Team zu formen, damit es zum Ende der Saison seine besten Leistungen abrufen kann, wäre das ganz sicher ein großer Vorteil gewesen, selbst vor Ort präsent zu sein. Aufgrund der persönlichen Situation war es aber nicht anders zu bewältigen. Es war schon eine ziemlich strapaziöse Geschichte, keinen direkten Input geben zu können. Das gilt besonders für die Fehleranalyse, sowie für das Training. Hast Du beim Zuschauen auch mal geflucht? Natürlich, fast ständig (lacht). In konnte in meiner Karriere immer selbst reagieren und Einfluss auf die Mannschaft nehmen. In diesen Wochen war das leider so nicht möglich. Bei dem was man sehen konnte, war mir klar, dass unser Team in einer Playoff-Serie nur sehr schwer zu schlagen gewesen wäre, wenn alle Jungs füreinander kämpfen und am Limit spielen. Insofern war die Motivation enorm groß, den Jungs nach meiner geplanten Rückkehr für den Höhenpunkt der Saison zusammen mit meinem Trainerstab den letzten Feinschliff zu geben. Wie hast du den Dreier von Dennis Nawrocki gegen Trier erlebt? Das war natürlich grandios, zumal unsere beiden vorherigen Einwurfsituationen nicht geklappt hatten und der Gegner eigentlich schon wusste, was in etwa passieren wird. Insofern war es eine individuell-taktische Meisterleistung von Dennis. Es ist eine hohe Qualität, wie er seinen Laufweg nur angetäuscht hat, um seinen Gegner in die Irre zu führen, dann mit eine das gleiche Play zu Ende gespielt hat und seinen Verteidiger auf Distanz halten konnte. Ich hab mich natürlich riesig mit dem Team gefreut. Nicht nur über den Sieg selbst, sondern weil es ein echter Big Point war, um Selbstvertrauen aufzubauen und den 3. Tabellenplatz abzusichern. Kannst Du die Entscheidung des Saisonabbruchs nachvollziehen? Ich habe natürlich Verständnis dafür, dass man so entscheiden musste. Es ist eine außergewöhnliche Situation die ungewöhnliche Maßnahmen verlangt. Schließlich geht es mittlerweile um ganz andere Dinge als um Basketball. Es geht darum, die Gesundheit jedes Einzelnen in den Vordergrund zu stellen und dafür Sorge zu tragen, dass das Gesundheitssystem nicht kollabiert. Der Erfolg im Sport oder in der Wirtschaft hat in solchen Momenten hinten anzustehen, wenn es um Solidarität gegenüber Mitmenschen geht. Ungeachtet der Enttäuschung und auf Kosten des Erfolgs steht das Leben an erster Stelle. Wie schätzt Du die Entwicklung in den zurückliegenden Wochen und Monate ein? Wir befinden uns in einem Prozess, in dem es darum geht einen Kader zusammenzubauen, welcher in der Liga so dominant spielt und genügend Leistungsträger im Team hat, von denen man vielleicht sechs, sieben Spieler im darauffolgenden Sommer mit in die BBL nehmen kann. So einen Kader hatten wir aufgrund des geringen Mannschaft-Etats nicht. Deswegen haben wir ja auch einen Mehrjahresplan entworfen, der es uns ermöglichen soll, kontinuierlich an dieser Entwicklung zu arbeiten. Wir wollten und wollen Spieler entwickeln, die uns auf dem Weg zur BBL begleiten sollen und werden. Es wird für uns im kommenden Spieljahr in erster Linie natürlich davon abhängen, über welches Budget wir verfügen und welche Ziele wir mit Blick auf den Etat formulieren können. Die optimale Ausgangslage wäre, mit starken Leistungsträgern in die Saison zu starten, die der Mannschaft die nötige Stabilität geben und unsere junge Spieler an deren Seite einzubauen, um diese wachsen und entwickeln zu lassen. Das ist uns zu Beginn der letzten Saison nicht gelungen. Wie habt Ihr euch voneinander verabschiedet und wie war die Stimmung nachdem das Spieljahr so abrupt beendet wurde? Es gab eine Abschlussbesprechung mit allen Spielern und Coaches. Es wurden Trainingsinhalte für die nächsten Wochen und Monaten besprochen und Termine für Vertragsgespräche vereinbart. Es war eine ziemlich skurrile Situation. Alle saßen da, komplett austrainiert und voll im Saft, um sich vor dem eigentlichen Highlight der Saison voneinander zu verabschieden. Man weiß nicht, ob jetzt fünf, sechs oder acht Monate Pause kommen. Das war wirklich eine eigenartige Stimmung. Der Kontakt bleibt jedoch untereinander erhalten, oder? Natürlich. Seit der Woche vor Ostern bin ich im Berufsalltag zurück. Wir führen Gespräche über eine mögliche Zukunft. Zunächst sind die deutschen Spieler dran, auch die jüngeren Talente. Da haben wir national gesehen in unserem U19-Kader mit Lorenz Bank, Vuk Radojicic und Vincent Hofmann drei Spieler, die tatsächlich das Niveau haben, in der ersten Mannschaft anzukommen. Nicht nur im Trainingsbetrieb sonder mit effektiver Spielzeit. Das ist letztendlich aber auch wieder von der Stärke des weiteren Teams abhängig. Wie bist Du beispielsweise auf Lorenz Bank gekommen? Dafür muss ich weiter ausholen. Nach einer Sichtung in unserer Nachwuchsabteilung im letzten Sommer ist mir schnell Lorenz aufgefallen. Ich habe mir dann zunächst seine Vita angeschaut, das Profil des Spielers analysiert und gesehen, dass er viel Potential besitzt, sofern er auf eine anderen Position eingebunden werden kann. Auch wenn es in der letzten ProA-Saison noch nicht gereicht hat, was auch genauso zu erwarten war, ist erkennbar, dass diese Jungs überdurchschnittlich talentiert sind. Wie ist die Situation aufgrund der Corona-Pandemie? Wir hoffen, dass wir nicht allzu großen finanziellen Schaden nehmen, auch im Vergleich zu anderen Konkurrenten. Unser Geschäftsführer Lars Eberlein ist seit Wochen dabei, alles zu unternehmen und zu versuchen, um einen entsprechenden Etat freigeben zu können. Das ist aufgrund fehlender Planungssicherheit in vielen Bereichen momentan natürlich keinesfalls einfach. Unser Ziel ist es, den Spagat zu schaffen, um oben mitmischen zu können und Spieler einzubinden sowie zu entwickeln. Das ist eine große Herausforderung, weil es eben in erster Linie von noch nicht absehbaren Rahmenbedingungen abhängt, aber wir bleiben hungrig und ehrgeizig. Gerade jetzt ist es enorm wichtig, die Situation mit der nötigen Portion Optimismus anzugehen. Gab es Feedback von deinen Spielern? Rückmeldungen gab es nicht zu knapp und alle, egal ob Jugendspieler, Doppellizenz-Spieler oder Profi waren ausnahmslos sehr positiv. Die Jungs waren unisono sowohl vom sportlichen Bereich als auch der organisatorischen Struktur beeindruckt. Egal ob mit unseren Trainingsmöglichkeiten, der medizinischen Betreuung, im Individualtraining oder Athletiktraining, ob bei den Rahmenbedingungen mit den Fahrten, oder Ernährung, kein einziger Spieler hatte Verbesserungsvorschläge. Alle waren begeistert und integriert, wurden ernst genommen und besitzen eine hohe Identifikation mit dem Verein. Abgesehen von dem Abbruch des Spieljahres war es eine perfekte Saison. Dazu gehören eben auch die vielen Ansprechpartner für Spieler oder Eltern. Ob im medizinischen Bereich, im Individualbereich, mit Mentoring-Programm, ob über Vereinsmanager oder Akademieleiter im Nachwuchsleistungssport, alles hat dazu beigetragen, damit sich die Spieler wohlfühlen konnten. Insofern geht mein Dank an dieser Stelle an alle Verantwortlichen, die einen Superjob gemacht haben, enorm dabei geholfen haben, das Programm auf diesem Niveau zu etablieren und mir in schwierigen Phasen den Rücken frei gehalten haben. Aktuell läuft eine Crowdfunding-Initiative als Spendensammlung für den Nachwuchs- und Breitensportbereich von Science City Jena. Wie lange musstest Du überlegen, um Dich selbst dafür zu engagieren? Abgesehen davon, dass ich diese Aktion sehr gern unterstütze, bin ich von der bisherigen Resonanz sehr angetan. Sie beweist, dass Science City Jena einen hohen Stellenwert genießt, nicht nur auf Zweitliga-Niveau sondern speziell im Bereich der Nachwuchs- und Breitensportabteilung, dem der Erlös ja in vollem Umfang zugute kommen wird. Angebote für Kinder und Jugendliche sind enorm wichtig, vor allem im Bereich Wertevermittlung und Persönlichkeitsentwicklung. Die Eltern sollen ein gutes Gefühl haben, wenn sie ihren Nachwuchs von unseren guten Trainern betreuen lassen. Insofern musste ich nicht lang überlegen, um mich zu Verfügung zu stellen. Solidarität, Zusammenhalt und Identität sind die Grundpfeiler in der Gesellschaft und im Sport, gerade in solch schweren Situationen wie aktuell. Du bist mit einem Meet & Greet sowie mit Firmen-Trainingseinheiten dabei. Hast du dich schon darauf vorbereitet? Ich bin ja grundsätzlich ein sehr kommunikativer Typ dem es Spaß macht, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Insofern brauche ich mich für das Meet & Greet nicht großartige vorzubereiten, sondern werde authentisch sein und mir treu bleiben. Bei den Firmen-Trainingseinheiten wird es sicher in Richtung Teambuilding gehen. Natürlich dürfte hier neben dem Sport auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Eine Gesprächsrunde mit Bier nach dem Training wird sicher mit dazugehören. Das gehört zwar bei der Arbeit mit unseren Spielern zwar keinesfalls zum Trainingsalltag, für solche Aktionen kann man aber mal eine Ausnahme machen. Wie gehst Du mit der aktuellen Lage rund um das Thema Corona um? Ich befinde mich in einer ganz besondere Situation die mit Sicherheit nicht repräsentativ für andere Familien ist. Für mich persönlich ging es nach dem großen Verlust von meiner Frau, der Mutter meiner Tochter und den harten Monaten in den ich damit zu tun hatte, die Trauer zu verarbeiten, den Schmerz zu überwinden, den Verlust überhaupt zu realisieren darum, unser Leben so zu organisieren. Dazu gehört es, viel Zeit miteinander zu verbringen, über wichtige Themen zu reden, Hausaufgaben zu machen, gemeinsam zu kochen. Ich kann viele Dinge im Home Office erledigen, bin nicht wie sonst den ganze Tag unterwegs. Insofern kommt mir die momentane Situation eher entgegen, um wieder die notwendige Stabilität in den Alltag zu bekommen.

 

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