Carlton Guyton im Interview: „Shaq und ich haben eine großartige Beziehung“
Carlton Guyton hat in seinem Basketball-Leben schon einige Stationen hinter sich. Der in Chicago aufgewachsene US-Amerikaner fand während des Sommers 2022 über Etappen in Schweden, Deutschland, Italien, Griechenland, Ungarn sowie zuletzt Frankreich an die Saale und hatte nach seiner Ankunft in Thüringen zunächst mit Corona zu kämpfen. Obwohl er sich konditionell im Aufwind befindet, sieht der variabel einsetzbare Guard noch genügend Steigerungspotenzial nach oben. Dieses wird er im Verlauf der Rückrunde auch abrufen müssen, um sich mit den Thüringern für die Playoffs 2023 zu qualifizieren. Wir baten den 32-jährigen Bulls-Fan zum Gespräch. Bei einem Großteil der Themen handelt es sich um Fragen der Fans, die im Rahmen des Adventskalenders 2022 eingereicht wurden.
Wann hattest Du Deine ersten Berührungspunkte zum Basketball?
Das war im Alter von drei Jahren. Meine Oma hat mir einen aufstellbaren Basketballkorb zu Weihnachten geschenkt. Anfangs spielte ich in ihrer Küche und im Keller unseres Hausen, später dann draußen in der Einfahrt, weil der Platz drinnen nicht mehr reichte. Regelmäßig im Verein habe ich erst mit neun, zehn Jahren trainiert.
Wie kam es dazu, dass Deine erste Station in Schweden war?
Ich war zu der Zeit noch im College bei der D-League (heute G-League), als mich mein Manager anrief und mir die Möglichkeit in Schweden angeboten hat. Damals war ich das erste Mal in meinem Leben in Europa. Es war eine schöne Erfahrung.
Du hast schon vor deiner Zeit in Jena zwei Jahre in Thüringen für die Oettinger Rockets aus Gotha gespielt. Welche Erinnerung hast du an diese Zeit?
Ich habe eine Menge toller Erinnerungen, vor allem die Fans waren super. Sie haben uns immer unterstützt und die „Blaue Hölle“ war extrem laut. Damals habe ich das erste Mal gegen Jena gespielt. Auch in den Playoffs sind wir aufeinandergetroffen.
Welche Spieler kanntest Du schon im Vorfeld?
Von den jetzigen Mitspielern kannte ich Stephan Haukohl, der mit mir in Ehingen gespielt hat. Brandon Thomas spielt schon lange in der Liga und Shaq kommt, ebenso wie ich, aus Chicago.
Was sind Deine persönlichen Ziele bei Medipolis SC Jena?
Ich möchte das Spiel vorantreiben und zum Sieg beitragen, unabhängig davon, wie viele Punkte ich persönlich erziele. Denn selbst wenn ich 50 Punkte erreiche, wir aber verlieren, sind die Punkte nichts wert. Der Sieg ist am bedeutendsten.
Wie zufrieden bist Du mit Deiner persönlichen Leistung diese Saison?
Ich bin ehrlich gesagt nicht allzu glücklich. Als ich hier angekommen bin, hatte ich noch Corona und konnte meinen Rhythmus nicht wirklich finden. Mein körperlicher Zustand war nicht der beste. Jetzt fühle ich mich schon viel besser und merke auf jeden Fall einen großen Unterschied zwischen den ersten paar Tagen der Saison und heute.
In der Zeit damals war ich nach ein paar Minuten bereits erschöpft, aber mittlerweile ist meine Konditionen wieder sehr gut und mein Körper fühlt sich besser an. Ich habe noch nicht wieder meine maximale Leistung erreicht, bin aber auf einem guten Weg dahin. Insgesamt bin ich derzeit weder glücklich noch komplett unzufrieden mit meiner Leistung. Ich weiß, dass ich um einiges besser spielen könnte. Meine Erwartungen an mich selbst sind sehr hoch.
Warum trägst du Rückennummer 1?
Ich trage diese Nummer bereits seit vielen Jahren, sofern sie nicht vergeben ist. Es hat bereits im jungen Alter angefangen, weil ich Rod Strickland, Jamal Crawford und Tracy McGrady sehr mochte und sie alle die Nummer 1 getragen haben. Mittlerweile trage ich die Nummer 1 für einen gewissen Wiedererkennungswert.
Wer war bzw. ist dein Vorbild – im Basketball bzw. privat?
Im Basketball ist eine Person, zu der ich aufschaue, natürlich Michael Jordan. Da ich in Chicago aufgewachsen bin, war er für mich immer jemand, zu dem ich aufgeschaut habe. Die Bulls haben zu der Zeit gewonnen, also war das einer der größten Einflüsse, als ich klein war. Außerdem Allen Iverson, Kobe Bryant, da ich deren Denkweise auf Basketball bezogen sehr mag. Aber ich würde sie alle nicht als meine wirklichen Vorbilder bezeichnen, da ich sie nicht persönlich kenne. Stattdessen verehre ich sie eher.
Mein Vorbild im Leben ist meine Mama. Ich sehe, wie hart sie arbeitet, also dient mir das als angestrebte Arbeitsmoral. Wenn es etwas gibt, was sie wirklich möchte, dann arbeitet sie wirklich hart dafür. Das wird für mich immer im Hinterkopf bleiben. Ich weiß, dass alles möglich ist, wenn man nur hart genug dafür arbeitet. Meine Mama hat große Angst vor dem Flug. Dennoch wäre ein Besuch von ihr in Deutschland eine schöne Erfahrung, da sie noch nie in Europa war.
Sind die Bulls aus deiner Heimat Dein Lieblingsteam oder schlägt Dein Herz für ein anderes Franchise?
Ich bin ein riesengroßer Bulls-Fan! Ich liebe sie. In Chicago kamen ihre Spiele auch immer im Fernsehen. Mittlerweile schaue ich nicht mehr so viele Spiele, aber sie sind noch immer meine Lieblingsmannschaft.
Wie oft verfolgst Du Spiele der NBA oder interessiert Dich das weniger?
Meistens schaue ich mir die Highlights an. Ich bleibe nicht extra bis spät in der Nacht wach, nur um die Spiele zu schauen, sondern warte einfach bis zum nächsten Tag und schaue es mir auf YouTube an.
Während der FIBA-Pause im November warst du mit Shaq in Berlin. Kannst du ein bisschen über Eure Beziehung sprechen?
Wir haben eine großartige Beziehung zueinander. Er ist ein toller Kerl und ein guter Freund von mir, auch außerhalb des Basketballs. Wir haben uns bereits beim Training in Chicago getroffen. Bei meiner ersten Station in Ungarn haben wir im selben Team gespielt. Es ist also bereits das zweite Mal, dass wir gemeinsam spielen, was nicht sehr häufig vorkommt. Ich kann mich nicht mehr wirklich daran erinnern, in welchem Jahr wir uns erstmals in Chicago getroffen haben, aber wir haben uns schnell sehr gut verstanden. Wir wohnen aber nicht in derselben Wohnung, da natürlich auch jeder seine Privatsphäre braucht.
Was machst Du ansonsten in Deiner Freizeit in Deutschland, wenn Du spielfrei hast?
Normalerweise bin ich viel zuhause auf dem Sofa, schaue bei YouTube, gucke mir Interviews an oder höre Podcasts. Ich lese sehr oft und male auch manchmal. Am häufigsten lese ich Motivationsbücher oder Autobiografien, zum Beispiel die von Malcolm X.
Wie nutzt Du die Zeit im Bus bei Auswärtsspielen?
Die meiste Zeit höre ich Musik oder lese. Auf dem Weg hin und zurück zum Spiel reden wir immer ein wenig. Wenn Shaq da ist, dann reden wir immer die gesamte Fahrt. Die Deutschen sitzen meistens hinten im Bus und spielen zum Beispiel Wizzard. Ich sitze mit Brandon, Stormy und Shaq immer etwas extra. Da Brandon und Stormy meistens schlafen, unterhalte ich mich mit Shaq.
Wie häufig bist Du in den USA?
Meistens fliege ich nur einmal am Ende der Saison in die USA. Das ist die einzige Möglichkeit für mich, ein wenig länger dort zu bleiben.
Aus der Erfahrung der letzten Jahre: Ab wann weißt Du nach Saisonende, was Dein nächster Verein sein wird?
Die letzten Jahre wusste ich es nie genau, hatte aber immer eine ungefähre Vorstellung. Meistens wusste ich aber erst im Mai oder Juni, welches mein nächster Verein wird. Mein Vertrag in Jena gilt erst mal nur für dieses Jahr. Das ist letztendlich auch immer davon abhängig, wie die Saison läuft und ob man Ziele erreicht.
Was ist für Dich als Spieler der größte Unterschied zwischen dem Basketball in Europa und den USA?
Es kommt darauf an, in welcher Liga man jeweils spielt. Hier in Europa spielt man mehr als Team als in den USA. Die NBA ist eine komplett andere Welt in Bezug auf Athletik als der Basketball in Europa. In Europa spielt man definitiv mehr Defensive als in der NBA. Das liegt vor allem an den besonderen Regeln der NBA. Und natürlich spielst du gegen die athletischsten Spieler der Welt. Für mich hat es ungefähr ein halbes Jahr gedauert, bis ich zurechtgekommen bin. Auch für ehemalige NBA-Spieler ist es nicht einfach, sich der Spielweise in Europa anzupassen.
Was wären Deine Top-4-Mitspieler, wenn Du Dir von allen aktiven Basketballern der Welt Dein Dream-Team zusammenstellen könntest?
Ich würde mich hier für die besten aktiven Spieler entscheiden, also Steph Curry, LeBron James, Giannis Antetokounmpo und Nikola Jokic. Ich würde Point Guard sein, außer Curry würde das gerne machen, da er ein wirklich guter Werfer ist.
Welches Spiel in deiner Karriere war das emotionalste und warum?
Vielleicht das Spiel Hamburg gegen Chemnitz in den Aufstiegs-Playoffs 2019. Es gingen eine Menge Emotionen durch meinen Körper und dann haben wir tatsächlich gewonnen. Das werde ich nie vergessen, da ich damit sehr viele positive Gedanken verbinde.
Wie wird Weihnachten bei Familie Guyton gefeiert?
Mittlerweile ist es ein wenig anders als früher. Die ganze Familie trifft sich in Orlando. Sie mieten sich über Airbnb ein Appartement mit einem Pool und gehen alle zu den Universal Studios. Das machen sie jetzt schon seit 2 Jahren. Ich bin selbstverständlich immer per FaceTime dabei.
Du hast in Schweden, Italien, Griechenland, Ungarn, Frankreich und natürlich Deutschland gespielt. Wie viele Sprachen sprichst Du und welche davon ist für Dich die schwerste?
Ich spreche genau eine Sprache und das ist Englisch. Aber von den ganzen Sprachen würde ich sagen, dass ich am besten Deutsch sprechen kann. Ich denke, ich habe Deutsch damals besser verstanden als ich durchgehend hier gespielt habe, aber ich verstehe noch immer vieles. Die schwerste Sprache für mich war Ungarisch, da konnte ich nicht einmal die einfachsten Begriffe. Ich habe in den drei Jahren, die ich in Ungarn verbracht habe, vielleicht drei Wörter auf Ungarisch gelernt.
Was ist die höchste Punktzahl, die Du in einem Spiel erzielt hast?
Das meiste, was ich bisher erzielt habe, waren 44 Punkte. Das war, als ich zwischen der Saison bei einem Wettkampf in China war. Aber als Profi war es glaube ich in Schweden mit 39 Punkten.
Du hast mal gesagt, dass es dein größter Traum ist, in der NBA zu spielen. Was glaubst Du, sind die Skills, welche Du Dich verbessern müsstest, um in der NBA zu spielen?
Mein Durchhaltevermögen und meine Aggressivität, wenn ich versuche, Punkte zu erzielen.
Hattest du während der letzten Jahre überlegt, zurück in die USA zu gehen und dort Basketball zu spielen?
Ich würde es nicht ausschließen. Wenn sich eine gute Situation anbietet, bei der ich in die Staaten ziehen könnte, um dort zu spielen, dann hätte ich nichts dagegen.
Was würdest Du tun, wenn Du nicht als Basketball-Profi Dein Geld verdienen würdest?
Ich weiß es tatsächlich nicht. Das ist verrückt, aber ich bin mit dem Basketballleben groß geworden. Ich habe nie eine andere Sportart ausprobiert, für mich stand immer Basketball fest.
In Deutschland gibt es die Regelung, dass immer zwei Deutsche auf dem Feld stehen müssen. Weißt Du wie die Ausländer-Regelung in anderen Ligen ist, in denen Du gespielt hast?
Es kommt darauf an, in welcher Liga man in dem jeweiligen Land spielt. In Frankreich bin ich mir nicht ganz sicher, da ich nicht lang genug dort war. In Ungarn muss, glaube ich, in der ersten Hälfte immer ein ungarischer Spieler unter 21 Jahren auf dem Feld stehen. In Piacenza in Italien durfte man damals nur zwei Ausländer in einem Team haben.
Was planst Du für die Zeit nach Deiner Karriere?
Ich versuche schon etwas zu planen, bevor meine Karriere endet. Bis jetzt weiß ich aber noch nicht, was ich genau machen werde und wie sich mein Interesse in eine reguläre Tätigkeit einbinden lässt. Wichtig ist mir, nicht täglich acht Stunden am Schreibtisch sitzen zu müssen. Ich könnte mir gut vorstellen, später eine Mannschaft zu coachen. Aber egal, was ich mache, ich möchte es mit Leidenschaft und Spaß machen. Derzeit wache ich jeden Morgen auf, um Basketball zu spielen. Ich liebe Basketball! Selbst ein schlechterer Tag ist noch immer gut, weil ich das machen kann, was ich liebe.
Nun kommen wir zu einigen Fragen, wo Du Dich zwischen zwei Antwortmöglichkeiten entscheiden kannst. Hast Du lieber weiße Weihnachten oder Weihnachten am Strand?
Ich habe Weihnachten noch nie am Strand verbracht, deshalb kenne ich nur weiße Weihnachten. Aber Weihnachten am Strand hört sich interessant an.
Bier oder Captain Cola?
Ich würde nichts von beiden wählen, sondern mich für Wein entscheiden. Müsste ich mich entscheiden, so würde ich eine Cola ohne Captain bevorzugen.
Berge oder Meer?
Ich mag beides nicht, würde mich aber eher für das Meer entscheiden.
Bratwurst oder Rostbrätel?
Bratwurst kenne ich bereits, aber Rostbrätel hört sich viel besser an, also Rostbrätel.
Blaue Hölle oder Sparkassen-Arena?
Auf jeden Fall die Sparkassen-Arena, weil ich jetzt hier bin. Unsere Sparkassen-Arena ist größer, in Gotha hatte man das Gefühl, dass die Zuschauer direkt über einem sind. Das Besondere der Blauen Hölle war die Biermarke als Sponsor, also gab es dort immer Gratisbier für die Zuschauer.
Micheal Jordan oder LeBron James?
Das ist einfach: Michael Jordan.