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Stephan Frost im Interview: Wir sollten uns nicht allzu sehr mit anderen Ligen vergleichen

 

 

 

 

 

 

Über sechs Jahre hinweg bildete Assistent Stephan Frost an der Seitenlinie der Jenaer Basketballer ein erfolgreiches Tandem mit seinem ehemaligen Headcoach Björn Harmsen. Zwischen 2013 bis 2019 im Windschatten des damaligen Cheftrainers für Impulse sorgend, erlebte er in dieser Zeit alle Ups and Downs live und hautnah mit. Nach der Vertragsauflösung des Vereins mit dem heute 47-Jährigen zog es ihn anschließend ins oberösterreichischen Alpenvorland, wo er bis heute für die Flyers Wels arbeitet. In der zurückliegenden Länderspielpause auf Heimaturlaub in Jena weilend, baten wir Stephan Frost zum Interview.

Wie kam es, dass Du aus dem Jenaer Trainerteam 2019 ins österreichische Wels gewechselt bist?

Mit dem Abstieg 2019 wurde auch mein unbefristeter Vertrag aufgelöst und meine Zeit in Jena ging zu Ende. Ich hatte trotzdem große Lust dem Basketball treu zu bleiben. Bevor ich das erste Mal nach Jena gewechselt bin, gab es schon die Überlegung und Kontakt nach Wels zu gehen. Wels ist eine idyllische Stadt, 60.000 Einwohner, inmitten eines wunderschönen Urlaubslandes. Über verschiedene Kontakte und Agenten war ich ohnehin stets über den Standort informiert, dann habe ich mich mit Geschäftsführer und Head Coach Sebastian Waser getroffen und bin seitdem sehr glücklich hier.

Was ist das Besondere am Basketball-Standort Wels?

Wir sind zwei Hauptamtliche - der Trainer/Geschäftsführer und ich. Alle anderen sind, teils mit hohem zeitlichen Aufwand, ehrenamtlich dabei. Dazu haben wir noch eine Kooperation mit einem Jugendverein, die zwei hauptamtliche Trainer haben. Wir verstehen uns in Wels als Ausbildungsverein, um junge österreichische Spieler für die Nationalmannschaft zu entwickeln und sie in größere Ligen abzugeben. Hier gibt es die Möglichkeit, etwas ruhig und nachhaltig zu entwickeln, ohne sich von einer übertriebenen Erwartungshaltung treiben zu lassen. Diesen Reiz, den Basketball eines kompletten Landes verändern zu können, den habe ich hier. Auch Jena hat eine Wirkung auf den deutschen Basketball, aber das kann man in keiner Weise vergleichen mit der Wirkung, die Wels auf Österreich hat.

Was hast Du dazu gelernt, seitdem Du in Österreich bist?

Vor allem sehr, sehr geduldig zu sein. Alle Herausforderungen im Team lösen zu müssen und zu wollen. Du hast hier nicht viel Ressourcen. Du musst immer kluge Entscheidungen treffen. Du kannst nichts kaufen. Du musst alles erarbeiten. Es gibt nie eine Situation, wo Du eine Abkürzung nehmen kannst. Das macht Dich viel, viel besser. Du weißt, dass es immer an dir hängt. In Jena wäre es mit den exzellenten Strukturen und Ressourcen nicht möglich gewesen, diese Entwicklung zu nehmen. Du wirst dir hier keinen kompletten Spieler kaufen können. Du wirst immer Spieler haben, die an irgendeiner Stelle eine größere Schwäche haben, die es zu entwickeln oder kaschieren gilt. Ein Spieler wie Brandon Thomas, der – wenn es gefordert ist – eine unfassbare Qualität abliefern kann, ist momentan undenkbar in Wels – auch wenn er vor vielen Jahren schon mal hier gespielt hat.

Habt Ihr ein Alleinstellungsmerkmal, welches es nur in Wels gibt?

Wir sind - oder wollen es zumindest sein - das intensivste und physischste Team in Österreich, also das Team, das am meisten in das Spiel investiert. Das bekommen wir leider dieses Jahr nur teilweise umgesetzt. Und wir sind eines der wenigen Teams, die wirklich unter Profi-Bedingungen trainieren können. Infrastrukturell mit unseren Trainingsbedingungen sind wir ganz vorn, betrachtet man die gesamte Struktur, so sind wir im Mittelfeld der ersten Liga Österreichs.

Woran hapert es?

Grundsätzlich an fast allem, verglichen mit Medipolis SC Jena. Wir haben zum Beispiel keinen hauptamtlichen Physio. Unser Physio hat zwar die höchste Qualität, aber er ist vielleicht zweimal die Woche da. Wenn sich ein Spieler verletzt, dann kann der Spieler immerhin zu ihm fahren. Nach dem Training müsste man die Spieler stetig behandeln können, damit sie schneller regenerieren. Die Regeneration bekommen wir nicht annähernd so dargestellt, wie man es eigentlich im Profi-Training machen müsste. Wenn Du intensiv trainieren willst, dann ist das ein ziemliches KO-Kriterium.

Wie abhängig seid Ihr von Importen?

Wir haben einen 14er Kader, darunter fünf Imports. Wir versuchen das Spiel mit mindestens einem Österreicher auf dem Feld zu beenden, am besten wären zwei. Das ist unsere Identität, auch durch die Kooperation mit der Jugendmannschaft. Man könnte mehr auf hochklassige ausländische Feierabend-Basketballer zurückgreifen und mit ihnen ein, zwei Spiele zusätzlich gewinnen, aber damit bremst man die Entwicklung des Teams im Training, weil Leute fehlen oder nicht ganz mitziehen. Entscheidend ist für uns die Entwicklung unserer jungen österreichischen Spieler.

Vor welchen Herausforderungen steht Ihr?

Wir versuchen vieles anders zu machen, aber das braucht seine Zeit. Viele Spieler haben noch nie professionell und intensiv trainiert. Die Leute müssen sich erst dran gewöhnen. Die Trainer haben hier nicht das gleiche Wissen, weil sie nie Spieler wie z.B. Mc Elroy oder Jenkins trainieren konnten. Der Vergleich ist sehr schwer und wir sollten uns nicht allzu sehr mit anderen Ligen vergleichen.

Wie kam es, dass Du so viele Jahre an der Seite von Björn Harmsen gearbeitet hast?

Wir hatten uns im Jahr 2000 innerhalb der Trainerausbildung kennengelernt. Schnell war klar, dass er mit seinem Wissensdurst und seiner Hingabe der beste Trainer war, den wir im Programm hatten. Als Björn das erste Mal Trainer in Weißenfels war, hat er mich eingeladen und mir somit den Einstieg in den Spitzensport ermöglicht. Wir hatten beide einen analytischen Ansatz, insofern hat es zusammen sehr gut funktioniert.

Björn coacht jetzt in Münster. Könntest Du Dir einen Wechsel nach Münster vorstellen?

Im Moment wäre das Irrsinn. Erstens weil ich hier einen fantastischen Job habe. Zweitens würde es keinen Sinn machen, den Münsteraner Etat in mich zu investieren, weil ich das überhaupt nicht refinanzieren kann. Oder ich hätte dort nichts zu essen. Das sind alles keine sinnvollen Optionen.

Wie stehen die Chancen, dass Du eines Tages als Headcoach arbeitest?

Theoretisch wäre das möglich, zum Beispiel an einem kleineren Pro A-Standort. In der Rolle als sportlicher Leiter/Co-Trainer bin ich jedoch um viele Klassen besser. Außerdem wäre ich wahrscheinlich nur ein durchschnittlicher Headcoach. Aktuell bin ich in einer Situation, die ich voll und ganz beherrsche.

Wie ist es um den Basketball in Österreich bestellt?

Nicht gut. In der FIBA-Rangliste sind wir innerhalb Europas auf Platz 34, umgeben von Ländern wie Luxemburg, Kosovo und der Slowakei. Im Jugend-Ranking sieht es noch schlimmer aus. Die Situation für den Profibasketball ist existenzbedrohend. Es gelingt ihnen inzwischen, ihre Supertalente wenigstens ins Ausland abzugeben, weil es in Österreich überhaupt keine adäquate Ausbildung mehr gibt, leider auch (noch) nicht bei uns in Wels.

Als Meister der Österreichischen Liga könntet Ihr an der Qualifikation der Champions League teilnehmen. Welche Ziele habt Ihr?

Meister werden ist völlig utopisch, dafür bräuchte man einen Brutto-Etat von mindestens 1 Million Euro und würde Wien und Gmunden fordern können. Die erste Liga in Österreich besteht aktuell aus 12 Teams. Unser Ziel ist es, nach der Hauptrunde unter die besten sechs Teams zu kommen, um den Klassenerhalt sicher zu haben und an der Finalrunde teilzunehmen. So haben wir zahlreiche freie Spiele zur Entwicklung der U-Nationalspieler und der Mannschaft. Ansonsten ist die Platzierung völlig uninteressant, zumindest im Moment und für mich.

Was hast Du gedacht, als Alex Herrera 2020 nach Kapfenberg gewechselt ist?

Ich habe mich gefreut und gedacht, dass sie sehr viel Geld in Kapfenberg haben. Für die Liga ist es sehr gut, wenn renommierte Pro A-Spieler zu uns wechseln, aber es war ein sehr ungewöhnlicher Transfer. Als Profispieler ist es eine schwierige Entscheidung, ob man sich nach dem Einstieg als Profi in Österreich weiter entwickeln kann.

Angenommen Ihr würdet mit Wels in der Pro A antreten, was glaubst Du wie Ihr abschneiden würdet?

Wir würden um den Klassenerhalt kämpfen. Und da hätten wir gute Chancen. Es gibt hier einige talentierte Spieler, die könnten sicherlich auch Pro A spielen. Christian von Fintel ist ein fantastischer Spieler, der in jeder Pro A Mannschaft spielen würde. Er wurde in Jena ausgebildet, kann eine Mannschaft führen und mitreißen. Er ist ein charakterstarker Spieler, der immer gewinnen will und niemals aufgibt. Unserem 4er, Arvydas Gydra, und unserem Guard, Austen Awosika, traue ich ebenso jederzeit den Schritt in die Pro A zu. Insgesamt kann man die Spielqualität, die Intensität, die Genauigkeit und das Spielverständnis zwischen beiden Ligen nicht vergleichen. Es gibt hier z.B. kaum Spieler, die vernünftig verteidigen können, was aber auch nicht die Identität der Liga ist.

Was kann der deutsche Basketball von Österreich lernen?

Wenn man die jetzige Struktur des Schiedsrichterwesens, die Österreich hat, auf Deutschland übertragen würde, dann wäre es sehr gut für die Entwicklung des deutschen Basketballs. Sie haben seit dem Sommer Leute, die konzeptionell arbeiten und lösungsorientiert sind. Es gibt eine partnerschaftliche Entwicklung zwischen Vereinen und Schiedsrichtern. Das machen sie gut, trotz der sehr begrenzten Ressourcen, die es da gibt. Da ist eine hohe Dynamik und Aufbruchsstimmung zu spüren.

Wie ist die Ausländerregelung in Österreich?

Wir haben eine 6+6-Regelung, also maximal sechs Ausländern im Team. Es gibt aber keine Vorgabe, wie viele Ausländer maximal auf dem Feld stehen dürfen. Die Position des Headcoaches zählt mit hinein. Würde ich als Deutscher also Headcoach sein, so dürften wir nur noch fünf Ausländer im Team haben.

Wann wird es mal ein Testspiel zwischen Jena und Wels geben?

Ich hoffe 2023. Man könnte sich in der Pre-Season treffen. Wir haben in den letzten Jahren einige Hausaufgaben gemacht und müssen Jahr für Jahr schauen, dass wir konkurrenzfähig auftreten können. Es bringt ja weder für Jena noch für Wels etwas, wenn wir mit 60 Punkten abgeschlachtet werden. Jetzt sind wir mit unseren österreichischen Nachwuchsspielern auf einem Niveau, dass man gegeneinander antreten kann.

Du bist großer FCC-Fan. Wie oft trägst Du Dein Kevin Pannewitz-Trikot?

Ich verfolge sehr aufmerksam, was beim FCC passiert. Weniger die Spiele, mehr das drumherum. Es tut dem Fan weh, was da in den letzten Jahren passiert ist. Das Pannewitz-Trikot habe ich hier in Wels. Ich trage es eins, zwei Mal im Jahr. Da muss ich Julius nochmal Danke sagen, der hat das Trikot seinerzeit organisiert.

Wie oft bist Du noch in Jena?

Meine Eltern wohnen hier. Ich versuche einmal im Quartal nach Jena zu kommen. Das nächste Mal wahrscheinlich im Februar 2023.

 

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