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Moritz Plescher im Interview – Teil 2: „In vielen Situationen entscheidet der Kopf“

 

 

 

 

 

 

Seit Sommer 2021 schnürt Moritz Plescher nun schon seine Sneaker für Medipolis SC Jena. Der aus Mettmann in Nordrhein-Westfalen stammende 22-Jährige durchlebte während seiner Zeit in Thüringen bereits einige zum Entwicklungsprozess eines Youngsters gehörende Ups und Downs. Wir baten Moritz zum Interview, welches aufgrund seines Umfangs in zwei Teile gegliedert wurde - Zum 1. Teil. Eine Preview des 2. Teils gab es bereits im letzten Tip-Off gegen Trier zu lesen. Hier nun die weiteren Fragen und Antworten.

Bei Wikipedia steht, dass Du in der Saison 2016/2017 an einer High School in Ohio warst. Wie kam es dazu?

Mein großer Bruder hat dort ab 2012 schon ein Auslandsjahr verbracht. Als 13-jähriger habe ich ihn für sechs Wochen besucht und die Gastfamilie kennengelernt. Zwei Jahre später - ich hatte gerade meine letzte JBBL-Saison - hat mich die Familie gefragt, ob ich vorbeikommen möchte. Die Kombination aus Basketball, USA und eine Fremdsprache fließend lernen hat dazu geführt, dass ich zur gleichen Familie gegangen bin. Dadurch konnte ich einen ganz neuen Basketballstil kennenlernen. Die Alternative wäre ein Jahr in der NBBL gewesen, bei dem ich wahrscheinlich viel trainiert und wenig gespielt hätte. So konnte ich mich menschlich und basketballerisch weiterentwickeln.

Worin war der größte Unterschied zum Jugendbasketball in Deutschland?

Das Tempo, mit dem sie spielen, ist höher. Das hat Vor- und Nachteile. Häufig ist es ein run and gun, es wird ohne Pause hin- und hergerannt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit geworfen. Im Vergleich dazu gibt es bei unseren Jugendspielen mehr Struktur und Organisation - hinter den meisten unserer Spielzüge steckt eine Idee. Dort hatten viele Spieler eine gemeinsame Größe, waren klein und wendig. Damals war ich mit meinen 1,90 Meter einer der größeren Spieler. In Deutschland zählte ich zu den Kleineren.

Würdest Du es anderen Jugendlichen empfehlen, ein Jahr an der High School in den USA zu verbringen?

Ja - auf jeden Fall. Man sollte sich aber bewusst sein, dass der Basketball dort anders ist, das war für mich anfangs eine Umstellung. Die Spiele gehen nur 32 Minuten und waren einmal in der Woche und einmal am Wochenende. Wichtig ist auch, dass man offen für die Erfahrung ist und auf Leute zugeht.

In den Sommerferien hast Du bei einem Kinder-Camp unterstützt und Du warst der Individual-Trainer für einen Jugendspieler. Wie kam es dazu?

Ein Jugendspieler hatte Felix Böckel angesprochen und gefragt, ob wir zusammen trainieren können. Ich dachte mir direkt: ja gerne. Ich trainiere tagsüber viel, daher war es schwierig es da reinzupacken. Aber da wir die Halle und viele Hallenzeiten haben ist es relativ einfach gewesen. Dann habe ich mit ihm jeden Tag abends eine Stunde trainiert, häufig ging es sogar länger, weil es uns beiden Spaß gemacht hat. Ich konnte als Trainer auch direkt Bestätigung bekommen: anfangs hat er, als er außer Puste war, bei Freiwürfen häufig daneben geworfen. Dann habe ich ihm gesagt: „Probiere Dich mal nur auf Deine Atmung zu konzentrieren“. Am nächsten Tag hat er jeden Freiwurf reingeworfen. Das sind so Sachen, die man schon Kindern und Jugendlichen beibringen kann. Die Atmung ist wirklich wichtig. Wenn man nur hechelt, dann trifft man natürlich seltener. Die Biathleten machen es auch so. Das sind so kleine Tipps, die manchmal trotzdem viel bringen. Wir haben auch jetzt noch regelmäßig Kontakt, er schaut immer mal bei Spielen vorbei.

Das Sommercamp war auch super. Ich bin gern unter Menschen, deswegen bin ich bei sowas echt gern dabei. Die Kleinen freuen sich, wenn man ihnen ein High-Five gibt. Die Trainings-Camps sind etwas, was man sich von den USA abschauen kann. Dort tun sich verschiedene Spieler zusammen und organisieren vielerorts Camps für die Kinder.

Wie nutzt Du die Fahrten bei Auswärtsspielen?

Sofern wir am Spieltag anreisen, höre ich Musik, versuche noch ein bisschen zu schlafen oder schreibe mit ein paar Leuten. Sobald wir Richtung Arena kommen, beginnt die Konzentrationsphase und der volle Fokus liegt auf dem Spiel. Wenn wir bei weiten Strecken bereits am Vortag anreisen, bin ich bei der Wizard-Runde dabei mit Björn, Stephan und Raphael Falkenthal. Es ist immer ganz lustig und in meinen Augen das beste Kartenspiel für Gemeinschaften. Nach dem Spiel bin ich zwar müde, aber immer noch voller Adrenalin, da ist schlafen unmöglich. Ich nutze also die drei, vier Stunden und kann ohne Pause etwas für die Uni machen. Manchmal telefoniere ich noch etwas mit der Familie und meiner Freundin oder versuche doch irgendwie zu schlafen.

Was studierst Du?

Ich mache ein Fernstudium im Bereich Mediendesign an der IUBH. Das ist ein praktischer Studiengang und macht mir viel Spaß, auch weil wir nicht nur Klausuren schreiben, sondern zum Beispiel auch Sachen designen, mit Illustrator, InDesign und Photoshop arbeiten.

Dann kannst Du demnächst Deine eigenen Autogrammkarten layouten?

Ich muss mir das alles selber ein bisschen beibringen. Bei Fragen gehe ich gern auf Tom zu ;)

Was machst Du, wenn Du in Deiner Freizeit nicht studierst und Du Dich nicht mit Basketball beschäftigst?

Ich habe eine Freundin, die wohnt in Bamberg. Wenn sie da ist, dann unternehmen wir etwas gemeinsam. Ansonsten koche und backe ich sehr gern. Mir macht es super viel Spaß da etwas auszuprobieren. Ich habe mir jetzt auch einen Kugelgrill gekauft, der macht komplett seinen Job. Außerdem spiele ich Dart, gehe spazieren, höre sehr gern Musik und spiele manchmal mit alten Teammates Fortnite oder Fifa. Ich mache aber gerne auch mal andere Sportarten wie Beachvolleyball.

Wenn Du Dich mit der Person vergleichst vor einem Jahr. Gibt es da Bereiche, in denen Du einen größeren Sprung nach vorn gemacht hast?

Letztes Jahr war ich unsicherer in den Dingen, die ich gemacht habe. Jetzt habe ich mir eine gewisse Sicherheit erarbeitet, ich muss weniger nachdenken, es wird intuitiver. Ich mache auch weiter, selbst wenn mal etwas nicht so gut klappt. Die Intensität ist dieses Jahr schon deutlich besser geworden als im Vorjahr.

Siehst Du Dich eher als Shooting-Guard oder eher als Small Forward?

Langfristig muss ich ein Shooting Guard sein, nicht weil ich zu klein bin, aber von meinem Spielstil auf der 3 gibt es viele Spieler, die sehr robust und stark sind. Meine Stärken liegen jetzt noch nicht im körperlichen Spiel. Zum Teil ist es schon besser geworden, aber daran muss ich auch arbeiten. Small Forwards müssen heutzutage viel „aufposten“, sich also mit dem Rücken zum Korb Richtung Zone wühlen, was Stephan Haukohl stark macht. Im modernen Basketball gibt es nur einen kleinen Unterschied zwischen Shooting Guard und Small Forward, weil beide Positionen bei einer modernen Offense austauschbar sind.

Was fällt Dir schwerer: Dein Gewicht zu halten oder Masse aufzubauen?

Ganz klar Gewicht aufbauen. Ich bin immer so um die 90 kg. Da würde ich gern auf die 96, 97 kg zugehen wollen. Im Sommer versuche ich immer ein paar Kilo zuzulegen, das hat auch in diesem Sommer geklappt.

Was war Deine schwierigste bzw. langwierigste Verletzung, die Du bis jetzt hattest?

Ich hatte schon zweimal einen Bänderriss, das waren jeweils sechs, sieben Wochen Ausfallzeit. In der JBBL hatte ich beim Training mal einen falschen Schritt gemacht und mir mein Kreuzbein im Rücken gebrochen. Ich konnte zwar schmerzfrei laufen, war beim Training aber fünf Monate völlig raus und konnte keinerlei Sport machen. Da merkt man, dass Gesundheit nichts Selbstverständliches ist. Seitdem habe ich aber überhaupt keine gesundheitlichen Probleme. Da meine Mutter und Schwester in der Krankenpflege arbeiten und mein Vater Arzt ist, habe ich ein gutes Gefühl für meinen Körper und meine Gesundheit.

Könntest Du Dir vorstellen, eines Tages als Trainer zu arbeiten?

Davon bin ich noch zu weit entfernt. Stand jetzt macht mir das Spiel so viel Spaß, dass ich mich nur darauf fokussiere. Aber sowas wie im Sommer, bei Camps und als Individualtrainer arbeiten, das ist etwas, was ich mir schon vorstellen kann.

Wie viel entscheidet sich beim Basketball im Kopf?

In vielen Situationen entscheidet der Kopf. Man kann aber den Kopf durch hartes Arbeiten und ständiges Investieren in eine bestimmte Richtung lenken. Speziell in schwierigen Situationen gilt es einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich kann zwar keine konkrete Prozentangabe nennen, aber das Mentale spielt schon eine große Rolle beim Basketball.

Bist Du in der Off-Season häufig in Mettmann?

Es kommt immer drauf an. Diesen Sommer war ich viel in Jena, weil ich hier noch Vertrag hatte und klar war, dass ich hier bleibe. Dann habe ich hier viel trainiert, auch weil die Facilities hier gut sind. Ansonsten fahre ich normalerweise für zwei, drei Wochen in den Urlaub.

Du bist etwas kleiner als Björn. Wirst Du trotzdem häufig auf der Straße erkannt oder angesprochen?

Das ist ganz lustig: Am Anfang war ich völlig anonym, aber jetzt mit der Zeit kommt es häufiger vor. Erst gestern bin ich auf dem Weg zum Supermarkt von einem Jungen angesprochen worden, der beim Sommercamp dabei war. Wir haben uns kurz Hallo gesagt und geplaudert. Das passiert ab und zu mal, aber eher selten. Wenn man länger wo ist, dann werden sich die Leute auch mehr mit einem identifizieren.

Was sind für Dich die schönsten Ecken in Jena?

Ich finde den Landgrafen sehr schön. Dort oben spazieren gehen, auf der Bank sitzen und auf die Stadt schauen, das ist ganz idyllisch. Ich wohne in der Nähe des Fuchsturms, da ist es auch angenehm. Das Paradies finde ich ebenfalls schön im Sommer mit den vielen Leuten.

Hast Du Dich bewusst dazu entschieden, in diesem Teil von Jena zu wohnen?

Die Spielerwohnung wurde mir angeboten im Sommer, da habe ich direkt ja gesagt. Sie hat eine tolle Küche und ein kleines Gärtchen, da könnte ich sogar probieren Kartoffeln anzubauen ;) Es gefällt mir sehr gut dort.

Warst Du mal bei der Dart-Meisterschaft in Jena live in der Halle?

Leider nicht. Ich hatte nur Peter Wrights grüne Irokesen im Halleneingang verschwinden sehen – das war ein cooler Moment.

An welche Ereignisse wirst Du Dich Dein Leben lang erinnern?

Einerseits mein erstes Spiel in der Champions League. Das war im Januar 2020 gegen Riga. Ein Jahr später durfte ich einmal gegen Sassari aus Italien 28 Minuten spielen - das war richtig cool. Ansonsten erinnere ich mich gern an das JBBL Top 4 mit Ulm und das NBBL Top 4 mit Breitengüßbach. Aber auch die Erfahrung, wenn man eine ganze Saison mit seinen Teammates jeden Tag Zeit verbringt und am Ende der Saison sogar weit kommt – das ist schon etwas Besonderes. Einige der damaligen Spieler sind Mateo Šerić, Jekabs Beck, Daniel Keppeler, Joanic Grüttner Bacoul. Wenn man sie trifft und gegen sie spielt, das ist ein bisschen wie Familie. Auf dem Spiefeld gönnt man sich nichts, aber vor und nach dem Spiel tauscht man sich freundschaftlich aus.

Letzte Frage: Angenommen Du könntest im Basketball eine Regel ändern, welche würdest Du ändern?

Viele würden sagen die 4-Punkte-Linie, daher sage ich etwas anderes. In Spanien wurde erprobt, den Ball nicht mehr vom Schiedsrichter übergeben zu lassen, dann wird das Spiel schneller. Das könnte man jeweils die ersten fünf Minuten im Viertel so machen. Das wäre eine interessante Regeländerung.

 

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