Heimspiel in Jena: Science City zu Gast bei refit
Es war sowohl geografisch als auch personenbezogen der Teil unserer redaktionellen Serie, welcher einem Heimspiel am nächsten kommt. Die Physiotherapie „refit“ zwischen Sparkassen-Arena und dem Metecno Court bildet schließlich die Brücke zwischen dem tatsächlichen Austragungsort der Heimspiele von Science City Jena sowie unserer sich direkt anschließenden Trainingshalle. Während Praxisinhaber Matthias „Matze“ Passarge, selbst jahrelang wichtiger Teil der Mannschaft, neben sieben Angestellten noch immer selbst Hand anlegt, haben wir einen freien Physiotherapie-Vormittag genutzt, um uns mit dem 32-Jährigen zu verabreden. Zu Fuß und innerhalb weniger Schritte angekommen, konnten wir das Heimspiel-Dutzend vollmachen und erfuhren aus erster Hand, wie „refit“ durch die Corona-Zeit gekommen ist und welchen bemerkenswerten Moment der gebürtige Zittauer mit Kendall Chones erlebte. Tom: Wie bist du zu Science City gekommen und wie hat sich dein Einstieg bei Jenas Basketballern entwickelt? Matthias: Das war vor der Zweitliga-Saison 2013/2014 parallel zu Björn Harmsen. Der Kontakt wurde ursprünglich über Lars Kühn vermittelt. Science City war zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach einem Vollzeit-Physiotherapeuten. Ich wohnte damals eigentlich in Erfurt, hab mich allerdings in der Stadt nicht so wirklich wohl gefühlt. Nebenberuflich betreute ich zu diesem Zeitpunkt eine Hockey-Mannschaft in Berlin, hatte also schon einen sportlichen Background. Das erste Treffen fand in der Geschäftsstelle, damals noch in der Karl-Liebknecht-Straße in Jena-Ost statt. Meine Ideen schienen Björn überzeugt zu haben und so unterschrieb ich zunächst für eine Saison bei Science City. Ich wollte natürlich erst einmal schauen, wie sich diese Zusammenarbeit entwickelt, war zudem Pendler und hatte in den ersten acht Monaten, ohne Auswärtsspiele, 60.000 Kilometer abgerissen. Nachdem feststand, dass ich mein Engagement verlängern werde, folgte der Umzug nach Jena. So entwickelte sich eine sehr gute Beziehung bei und mit Science City, in der ich die Jungs hauptberuflich betreute, bis zur Eröffnung meiner Praxis 2017. Tom: Das heißt, dass Du noch die erste BBL-Saison 2017/2018 mitgenommen und dich dann primär refit gewidmet hast? Matthias: Genau. In der Saison 2017/2018 hab ich mich mit meiner Physiotherapie selbstständig gemacht und wir sind in die Praxis-Räume eingezogen. Ich hatte vorher absolut keinen Bezug zum Basketball, komme eher aus dem Handballsport, fand diese Zeit aber ziemlich spannend und interessant. Ich war Anfang 20 und hatte noch keine familiären Verpflichtungen. Trotzdem war diese Zeit, häufig mit dem Team unterwegs zu sein, schon ein sehr schöne Erfahrung. Tom: Du warst zu diesem Zeitpunkt für die Rundum-Betreuung der Mannschaft verantwortlich. Das ist mit deiner heutigen Aufgabe in der Praxis sicher nicht mehr zu vergleichen, oder? Es war schon ein erheblicher Aufwand und ist mit dem zeitlichen Ablauf in der Praxis nicht vergleichbar. Ich war ja schlussendlich bei jedem Training sowie bei allen Heim- und Auswärtsspielen mit dabei. Krank sein durfte ich nicht (lacht) und wenn jemand nicht wusste, ob er, nachdem seine Lippe gerade genäht wurde, eine heiße Suppe essen darf, war ich eben auch da der Ansprechpartner. Du warst also die rechte Hand von „Stani“ (Dr. Frank-Detlef Stanek) und immer vor Ort, sozusagen die Schnittstelle zwischen Team und Mannschaftsarzt? Fast. Ich war die rechte Hand vom Doc und die linke Hand von Björn (lacht). Die Kommunikation zwischen Mannschaftsarzt und Trainer ist ja enorm wichtig, speziell in Bezug auf die Gesundheit der Spieler. Ich war quasi bei jeder Behandlung mit dabei und habe in dieser Phase sehr viel mitnehmen können. Mit damals drei, vier Jahren Berufserfahrung hätte ich sicher keinen besseren Mentor finden können. Stani verfügt als Sportarzt über enorm großes Know How, ist und war immer sehr geduldig und hatte den Willen sowie die Motivation, sein Wissen weiterzugeben. Die Zusammenarbeit verlief dabei immer auf Augenhöhe. Bestes Beispiel war ein Erlebnis während eines Heimspiels in der Sparkassen-Arena, als ein Spieler angeschlagen auf dem Parkett lag, wir zusammen zur Behandlung aufs Spielfeld gekommen sind und er mir sagte: „Leg mal deinen Finger auf die verletzte Stelle. Da fühlst Du eine Kuhle. Das ist ein Muskelfaserriss.“ Dieses Gespür verlierst du nie wieder. Sich in so einer Situation auf dem Parkett die Zeit zu nehmen und mir zu zeigen, wie sich beim Tasten ein Muskelfaserriss anfühlt, macht definitiv nicht jeder. Der Doc hat mich schon sehr geprägt. Aus dem Grund sind wir uns in den Ansichten und vom Behandlungsstil sehr ähnlich. Tom: Du hast mit den Jungs viel erlebt. Schildere doch bitte mal dein lustigstes oder schönstes Erlebnis mit Science City Jena? Da gibt es wirklich unfassbar viele Momente, die ich an dieser Stelle nur schwer aufzählen kann. Natürlich sind rückblickend die schönsten Erinnerungen mit dem Aufstieg 2016 verbunden. Dennoch gehören auch unser Heimsieg im ProA-Finale gegen RASTA Vechta ebenso dazu, wie der Auswärtssieg bei ALBA Berlin, nachdem wir zur Halbzeit schon haushoch zurückgelegen hatten. Das lustigste Erlebnis datiert aus der Saison mit Kendall Chones. Wir waren in der Vorbereitung mit dem Paddelboot unterwegs. Da stand also ein über zwei Meter großer Koloss im Navy-Seal-Shirt mit Schwimmweste und sagte: Matthias, pass mal auf. Wir dürfen hier nicht umkippen. Ich kann nicht schwimmen. Abgesehen davon war Kendall ein extrem cooler Typ, der vor dem Spiel auch mal locker 160 Kilo beim Bankdrücken gestemmt hat, während sich schon die Stange bog. Tom: Kommen wir mal zu dem unseren Alltag bestimmenden Thema Corona. Mit welchen Auswirkungen hattet ihr in der Praxis zu kämpfen? Nachdem sich die Situation des Lockdown zugespitzt hatte, ergab sich natürlich auch für uns zunächst ein massiver Einbruch. Unserer Auslastung fiel im Gegensatz zum regulären Betrieb von 90 auf 20 bis 30 Prozent. In Kombination mit der Ungewissheit und offenen Fragen wie: Fängt sich das? Wie lang geht das und was ist das jetzt? hat sich die Lage für uns relativ zeitnah wieder entspannt. Nach einigen Tagen waren wir wieder sehr nah an der normalen Auslastung. Insofern hat es andere Zweige sicher härter getroffen als unsere Praxis. Kurzarbeit war bei uns überhaupt kein Thema. Abgesehen davon, wie viele Phasen da jetzt noch kommen sollten, sind wir schon ganz gut durch die erste Zeit gekommen. Viele Patienten die sonst gar nicht die Zeit für sich nutzten, hatten plötzlich die Chance, sich um ihre Gesundheit zu kümmern. Das war für die Menschen ein positiver Effekt und hat eben auch unsere Physiotherapie relativ gut über die Zeit gebracht. Nach ein paar Wochen, als alle gemerkt hatten, dass genug Toilettenpapier vorrätig ist und die Dosensuppen reichen, haben ja letztendlich alle versucht, sich bestmöglich mit der Situation zu arrangieren. Um eine eigene Praxis zu eröffnen und eine nicht einfachen Zeit zu überstehen gehört schon eine gehörige Portion Mut. Wie fällt deine Bilanz nach knapp drei Jahren aus? Wenn du dich mit 29 selbstständig machst und eine Praxis von knapp 400m² hast, machst Du dir schon viele Gedanken. Ob das was wird, hier draußen in Jena-Burgau? Letztendlich war es eine sehr gute Entscheidung. Du hast durch kostenfreie Parkplätze und die Nahverkehrs-Anbindung einen Standortvorteil auch wenn du nicht direkt im Stadtzentrum ansässig bist. Hinzu kam, und das hatten wir anfänglich gar nicht auf der Rechnung, das Gewerbegebiet in Jena-Göschwitz, aus dem viele Menschen in der Mittagszeit kommen und auch in sonst eher schwer zu belegenden Zeiten für eine gute Auslastung sorgen. Dazu kommt unsere Firmenbetreuung in einigen Unternehmen vor Ort und ein demnächst entstehender Praxis-Standort in Hermsdorf. Dabei war sicher das Timing, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein und auf sehr gut Therapeuten vertrauen zu können, ausschlaggebend. Alles in allem sind wir sehr gut und gesund gewachsen und bieten einen hohen Qualitätsstandard. Gut und gesund gewachsen ist ein gutes Stichwort für die letzte Frage. Science City ist für mich... … so etwas wie eine zweite Familie. Ich war letztendlich gefühlt häufiger hier als in meinem eigentlichen zu Hause, habe dabei viele Menschen im Club kennen und schätzen gelernt, mit ihnen viel Zeit verbracht und bin für die Unterstützung sehr dankbar.