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Über Teamplayer Dennis, der fast als Yogalehrer in Australien gelandet wäre

Mitunter ist es im Leben wie im Sport. Auf Regen folgt Sonne und auf Blitz oder Donner wolkenloser Himmel. So auch zum betreffenden Interview-Tag mit Science-City-Neuzugang Dennis Nawrocki an einem der wohl entspanntesten Hotspots der Stadt, dem Strand 22. Während der alte Bootsanleger im Paradies zunächst in Gefahr geriet, von einem heftigem Gewitter weggespült zu werden, klarte es ebenso schnell wieder auf. Seelenruhig und keine Spur nervös, präsentierte sich Dennis Nawrocki als aufgeschlossener, weltoffener und wacher Charakter, als ein Sportler, der Dinge hinterfragt und einen Plan hat, ohne sich von Zielen einengen zu lassen. Er war der erste neue Baustein des neu formierten Kaders in Basketball-Jena, hatte aber von Beginn an keine Befürchtungen, hinsichtlich der Zusammenstellung der überwiegend neuen Mannschaft. „Natürlich macht man sich seine Gedanken. Da ich Frank aber schon etwas länger kenne, weiß ich, dass er sehr viel Fingerspitzengefühl besitzt, was die Charaktere einzelner Spieler und die Mannschaftszusammenstellung betrifft, die für eine gesunde Teamchemie nötig sind. Er hat zudem die Fähigkeit, leicht versteckte Potentiale bei Spielern zu erkennen und zu fördern. Insofern hatte ich mir zwar Gedanken gemacht, aber nie wirklich Sorgen, dass es am Ende nicht passen könnte. Wir standen von Beginn an in regelmäßigem Austausch, wen er noch auf dem Schirm hat, wen er noch gern nach Jena holen möchte und so wusste ich schon ganz gut Bescheid, worauf ich mich einlasse“, so Nawrocki. Dieses Vertrauen ist wohl nicht zuletzt der gemeinsamen erlebten Zeit in Braunschweig geschuldet, in dem die an der Saale nun reaktivierte Trainer-Spieler-Symbiose bereits funktioniert hat. „Ich habe in meinem ersten Jahr unter Frank bei den Löwen knapp 12 Minuten im Schnitt gespielt. Auch wenn die Einsatzzeit im Verlauf der letzten Saison etwas gelitten hatte, ändert das ja nichts am Vertrauensverhältnis. Wir sind ja letztendlich trotzdem in die Playoffs gekommen“, sagt Dennis und lacht. „Man muss sich einfach reinkämpfen und beißen, seine zugedachte Rolle annehmen und versuchen bestmöglich auszufüllen. Auch wenn man es ohne Nationalmannschaftserfahrung nicht einfach hat, an seinem Standing zu arbeiten, kann man immer um seine Chance kämpfen“, so der 26-Jährige. Gekämpft hat er und erhielt im letzten Playoff-Viertelfinale gegen den späteren Deutschen Meister Bayern München straffe 16 Minuten pro Partie. Ein guter Indikator, welche kämpferische Qualität sich Thüringer mit ihrer neuen Nummer 2 angeln konnten. Dabei spielte die Ligazugehörigkeit von Science City Jena zunächst nicht die ganz große Rolle. „Das war eigentlich nicht die ausschlaggebende Frage, ob ich nach Jena komme oder nicht. Als ich das Angebot erhielt, hab ich mir gesagt: Ok, jetzt schau mir erst mal die Stadt. Man kennt Jena in erster Linie ja nur mit Blick von der Autobahn und sieht die Plattenbauten in Lobeda, was gar nicht abwertend gemeint sein soll. Aber wenn man es nach zehn Minuten bis ins Paradies geschafft hat, eröffnet sich einem eine ganz andere Perspektive, tatsächlich so etwas wie ein kleines Paradies. Ich finde Jena wunderschön. Die Stadt ist jung, modern und man hat alles was man braucht. Insofern habe ich mich hier von Beginn an sehr wohl gefühlt und das hält sicher noch ein ganzes Stück“. Seinen ersten Erfahrungen in und mit Jena machte Dennis Nawrocki unterdessen schon etliche Jahre zuvor. Im Playoff-Viertelfinale der NBBL 2011 standen sich Science City und die Junior Phantoms aus Braunschweig gegenüber. In Reihen der Saalestädter liefen damals durchaus bekannte Namen wie Johannes Voigtmann (jetzt ZSKA Moskau), Josip Peric, Jakob Krumbeck oder Stephan Haukohl über das Parkett des Jenaer Sportgymnasiums. Die „Jenaer Jungs“ hatten sich mit einer makellosen Saison, ohne eine einzige Niederlage, für die Meisterrunde qualifiziert und gingen als Favorit in die Serie. Die Niedersachsen präsentierten sich jedoch keineswegs als erhoffte Durchgangsstation zum Top4 und eliminierten die (mindestens) als Medaillenanwärter geltenden Saalestädter frühzeitig aus den Playoffs. Dass der damals mit den Niedersachsen anreisende Dennis Nawrocki sich noch an diese Duelle erinnern kann, könnte einerseits mit der faustdicken Überraschung zusammenhängen oder aber an den Namen seiner ehemaligen Mannschaftskollegen liegen. Denn auch wenn sich die mit viel Talent gesegneten Okerstädter aus damaliger Sicht sich keineswegs nach Laufkundschaft anhörten, so reicht ein Blick auf die heutigen Arbeitgeber seiner Mitspieler, um zu erkennen, wie viel Qualität im Phantoms-Kader vorhanden war. Mit Jungs wie Dennis Schröder (Nationalspieler, Oklahoma City Thunder / NBA), Daniel Theis (Nationalspieler, Boston Celtics /NBA) oder Bazoumana Kone (bis zuletzt ebenfalls für den BBL-Club aus Braunschweig aktiv) klingt das Jenaer Playoff-Aus plötzlich so ganz und gar nicht mehr nach Überraschung. „Wir sind nicht täglich in Kontakt, quatschen ab und zu mal, wenn man sich über den Weg läuft. Daniel und Dennis spielen in der NBA, haben ganz andere Rhythmen. Aber wenn es sich ergibt, findet man immer Zeit und Themen, um sich zu unterhalten. Dennis ist mittlerweile Gesellschafter in Braunschweig. Da waren die Berührungspunkte in der zurückliegenden Zeit natürlich etwas enger. An das betreffende Spiel im Sportgymnasium erinnere ich mich auch noch ganz gut. Wir sind nach Jena gekommen und Science City war deutlicher Favorit und Titelanwärter. Wir hatten uns schon vor der Serie darauf eingestellt, Jena ordentlich zu ärgern und am Ende ist tatsächlich mehr daraus geworden. Unser Team hat schon ziemlich geilen Basketball gespielt“, kann sich Nawrocki ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Das Wort „Team“ fällt oft im Gespräch mit dem sympathischen Deutsch-Polen, so auch auf die Frage nach der Chemie in der Mannschaft. „Auch wenn es zu diesem frühen Zeitpunkt sicher noch schwer ist, eine verbindliche Aussage zu treffen, kann man erkennen, dass bei uns im Team etwas sehr Gutes wächst. Wir haben echt coole Jungs im Kader und eine sehr angenehme Atmosphäre. Die Spieler passen aus meiner Sicht menschlich und sportlich sehr gut als Kollektiv. Ich denke, dass wir bislang auch schon ganz ansehnlichen Basketball gespielt haben, mal abgesehen vom Auftakt in Erfurt, aber der zählt nach ein paar Tagen Konditionstraining für mich nicht wirklich. Das Gute daran ist ja, dass wir noch Luft nach oben besitzen und auch Justin Leon noch dazukommt. Insofern denke ich, dass wir über eine sehr schlagkräftig Truppe verfügen, die den Zuschauern viel Spaß machen wird.“ Hobbys und Ablenkung sind meist wichtige Schlagwörter und spielen auch abseits des Parketts eine nicht zu unterschätzende Rolle im Leben von Profisportlern. „Meine Freundin Alix und ich sind, um das seltsam klingende Wort Freigeister zu vermeiden, schon eher Menschen, die gern viel von der Welt sehen möchten. Wir reisen gern und so oft es geht, sind nicht an Konventionen gebunden. Wir versuchen die Ketten zu sprengen, so würde ich es mal umschreiben. Abgesehen davon ist Alix als hauptberufliches Model sowieso schon sehr häufig unterwegs.“ Unterdessen wartet das dickste Fettnäpfchen bei der stilistisch-korrekten Aussprache seines Nachnamens. „Wie möchtest Du ausgesprochen werden? Naw-rock-ee oder Narowtzki? Prompt kommt die verbale Handkante. „Was heißt, so möchte ich ausgesprochen werden? So wird das ausgesprochen, weil der Name aus dem Polnischen stammt. Ich habe beide Staatsbürgerschaften, beide Pässe und Familie in Polen“, sagt Dennis N. Gemerkt, gut, so wie Brad nur andere Länder, Haken dran. Weitläufig verbreitet ist das Vorurteil, dass Berufssportler „nur“ ihre Trainingseinheiten abreißen und den restlichen Tag an einer Spielkonsole oder vor der Glotze hängen. „Solche Vorurteile liebe ich ja“, sagt Dennis. „Viele Leute verstehen nicht, wie viel harte Arbeit im Alltag dahintersteckt. Ich kann sagen, dass ich mich im BBL-Rhythmus jeden Tag zwischen acht bis elf Stunden mit Basketball beschäftigt habe. Ich war der erste Jahrgang, der mit 18 Jahren schon Abitur gemacht hat, war anschließend Werksstudent bei VW im Studiengang BWL mit den Schwerpunkten Automobilbeschaffung und Herstellung. Ich hätte die Möglichkeiten gehabt, ins Ausland zu gehen, nach Shanghai oder Südafrika, bin aber kein Typ, der sich für das restliche Leben ins Büro hocken möchte. Ich habe viele Leute getroffen, die diesen Weg eingeschlagen haben und dabei gutes Geld bekommen, aber nicht glücklich sind oder waren. Die Definition von Erfolg in unserer Gesellschaft ist aus meiner Sicht schon aus dem Ruder gelaufen. Werte beschränken sich auf Job und Gehalt, die Wohnung oder das Haus, die Größe des Autos. Das hat sich in die falsche Richtung verschoben. Vielmehr sollten wir uns hinterfragen: Bist du glücklich mit dem was du tust?“ Sein akademischer Werdegang musste unterdessen sportlich bedingt aussetzen. „Ich habe mir in meiner Braunschweiger Zeit eine studentische Pause gegönnt. Das war sowohl vom zeitlichen Faktor als auch vom Aufwand nicht parallel zu stemmen. Ich studiere in Bad Honnef Immobilienwirtschaft und Gesundheitsmanagement und werde hoffentlich auch irgendwann mal fertig. Danach würde ich mich gern selbstständig machen, mein eigener Chef sein, möchte in meinem späteren Leben selbst darüber bestimmen können, wann ich was mache und wie ich es mache“, so Nawrocki. Während Lieblingsfarbe oder Film für derartige Gespräche sich meist eher als Stimmungskiller erweisen, kommen Fragen nach Haustieren gewöhnlich immer gut an. „Ich hab selbst zwei Katzen, liebe Tiere und esse auch keine Tiere. Meine Freundin und ich sind jetzt seit gut vier Jahren vegan unterwegs. Wir essen weder Fleisch, Fisch, noch irgendwelche Produkte, die von Tieren stammen. Wir verzichten aus gesundheitlichen, ethischen und ökologischen Gründen ganz bewusst darauf. Auch da hat die Gesellschaft im Bereich des Umdenkens noch genug zu tun“, sagt Dennis Nawrocki. Was wäre wohl Dennis Nawrocki geworden, wenn er nicht mit Basketball seinen Lebensunterhalt verdienen würde, klingt nach einer interessanten Frage an den tierliebenden Freigeist. „Das ist eine gute Frage“, sagt Dennis uns muss laut lachen. „Dieselbe Frage hat mir deine Kollegin in Braunschweig schon gestellt. Ich habe ihr damals mit Yogalehrer oder Reiseblogger geantwortet. Fakt wäre auf jeden Fall, dass ich nicht mehr in Deutschland leben würde, da meine Freundin und ich gern ins Ausland gegangen wären. Ich muss da vielleicht mal etwas weiter ausholen. Hätte die BBL in Braunschweig nicht geklappt, wäre alles schon vorbereitet gewesen, um nach Australien zu gehen. Erstmal ein Jahr studieren mit dem Versuch, sich eine Existenz aufzubauen. Deutschland hat viele Vorteile, keine Frage, aber die haben andere Länder auch. Mentalität, Wetter, auf der Welt gibt es so viele schöne Ort und wir leben nun einmal in einem Zeitalter, in dem wir nicht mehr an feste Orte gebunden sind und frei über unser Leben entscheiden können. Wenn man diese Möglichkeiten hat, sollte man sie auch nutzen. Da hätte es sich für uns auch nicht um Selbstfindung gedreht, sondern darum, sich zu verwirklichen“, so Dennis. Zwangsläufig ergibt sich die Frage, ob Yogalehrer in Australien eine Option gewesen wäre. Passt schließlich ideal zu einer plakativen Headline. „Das ist jetzt schon ziemlich weit hergeholt“, sagt Dennis. „Wobei ich bis vor zwei Jahren noch richtig lange Haare hatte. Insofern hätte das zumindest optisch perfekt gepasst. Aber dann wurde meine Frisur gekürzt, ohne Zwang, ganz freiwillig. Die Haare waren über 30 cm lang und wurden anschließend als Echthaarperücke für krebskranke Kinder gespendet“, sagt Dennis. Mittlerweile sind nicht zuletzt witterungsbedingt gut zwei Stunden vergangen und der Terminkalender drückt an beiden Seiten des Tisches. Was hast Du dir in den kommenden Monaten als Ziel gesetzt? „Ich möchte mich persönlich und basketballerisch weiterentwickeln, will mit den Jungs erst mal in die Playoffs und dann schauen was geht“, sagt Dennis Nawrocki abschließend, bevor ein sehr entspanntes Gespräch endet, dass mit Blitz und Donner begonnen hatte.

 

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